Syrische Flüchtlinge in Alexandria/Ägypten

© Georg Pulling / Kathpress

Yazer und Abdel: Dem Krieg entkommen, in Armut gelandet

Caritas-Präsident Landau besucht syrische Flüchtlinge in der ägyptischen Hafenstadt Alexandria: "Es geht immer um Menschen mit einem Gesicht und mit Würde" - Die Caritas hilft, das größte Leid zu lindern - "Kathpress"-Reportage von Georg Pulling

Alexandria, 02.09.2016 (KAP) - Der Krieg in Syrien hat ein unvorstellbares Ausmaß angenommen: Fünf Millionen Syrier haben ihr Land verlassen müssen, mehr als 6,5 Millionen Menschen sind innerhalb Syriens auf der Flucht. Ägypten ist im Drama um Syrien nur ein Nebenschauplatz, doch für jene rund 120.000 syrischen Flüchtlinge, die es in das Land am Nil verschlagen hat, spielt das keine Rolle. So wie für die Millionen Syrer in der Türkei, im Libanon oder in Jordanien ist auch für sie jeder Tag ein neuer Tag, in dem sie ums Überleben kämpfen.

 

Hinter Zahlen stecken Personen

Hinter allen Zahlen stecken konkrete einzelnen Personen, sagt Caritas-Präsident Michael Landau: "Es geht immer um Menschen mit einem Gesicht, mit Würde, mit Freude und Hoffnung, zugleich aber auch mit großen Sorgen und Nöten." Landau hat jüngst einige dieser Menschen bei einem Lokalaugenschein in der ägyptischen Hafenstadt Alexandria getroffen.

Caritas-Präsident Landau zu Besuch in Schule für syrische Flüchtlingskinder in Kairo

In einer Schule für syrische Flüchtlingskinder in Kairo (c) Georg Pulling / Kathpress © Georg Pulling / Kathpress

Yazer: "Wir fühlen uns hier nicht mehr sicher"

Yazer und seine Frau Mamal mussten 2012 mit ihren vier Kindern aus Syrien fliehen. Eineinhalb Monate dauerte ihre Flucht von Damaskus nach Ägypten. Ihr Haus lag mitten im Kampfgebiet. In Syrien war Yazer technischer Manager in der Pharmaziebranche, in Alexandria muss sich der hoch qualifizierte Mann seit dreieinhalb Jahren als Verkäufer durchs Leben schlagen und kommt auf einen Verdienst von rund 200 Euro im Monat. Das reicht kaum, um die sechsköpfige Familie zu ernähren. Zudem seien syrische Flüchtlinge ganz allgemein von den meisten Ägyptern nicht mehr gern gesehen und einer seiner Söhne sei auch schon von ägyptischen Kindern mit dem Umbringen bedroht worden, klagt Yazer: "Wir fühlen uns hier nicht mehr sicher."

Syrische Flüchtlinge in Alexandria/Ägypten

(c) Georg Pulling / Kathpress © Georg Pulling / Kathpress

Abdel: Kinderlähmung und Schulden

Auch Abdel lebt mit seiner Frau und seinen drei Kindern seit fast vier Jahren in Alexandria. Er hatte in Homs trotz seiner körperlichen Beeinträchtigung - er leidet an Kinderlähmung - einen gut bezahlten Job. Hier in Ägypten muss er sich und seine Familie mit Gelegenheitsjobs über Wasser halten - in einem Supermarkt, in einem Restaurant oder auch als Verkäufer von Handyzubehör. Offizielle Arbeitserlaubnis gibt es für Flüchtlinge in Ägypten sowieso nicht. So bleibt den Asylanten nur der sogenannte "informelle" Sektor, in dem freilich auch der Großteil der Ägypter selbst tätig ist. 

 

Für eine Gehhilfe fehlt das Geld

Das Gehen fällt dem teilweise gelähmten 34-jährigen Flüchtling schwer, er bräuchte dringend eine bessere Gehhilfe. Dazu fehlt ihm freilich das Geld. Von der Caritas und auch der UNO bekommt er zwar finanzielle Unterstützung, die geht jedoch schon für die Miete einer kleinen Wohnung und Lebensmittel drauf. Und auch die Schule für die Kinder kostet Geld. Abdel hat Schulden und keine Ahnung, wie es weitergehen soll. Dazu kommt, dass er sich von den Ägyptern nicht als gleichberechtigter Mitbürger anerkannt fühlt.

 

Mit dem Boot nach Europa?

Ob er schon daran gedacht hat, die Überfahrt mit einem Boot nach Europa zu versuchen? Natürlich, erzählt er, aber mit seiner Behinderung sei das noch gefährlicher, und er wolle seine Kinder nicht dieser Gefahr aussetzen. Ganz abgesehen davon könne er auch nicht den Preis - viele tausend Dollar - für die gesamte Familie aufbringen. Abdel (und auch Yazer) wüsste freilich sofort, wo er die Schlepper finden würde.

Caritas-Präsident Landau zu Besuch in Schule für syrische Flüchtlingskinder in Kairo

Caritas-Präsident Landau zu Besuch in der Schule für syrische Flüchtlingskinder (c) Georg Pulling / Kathpress © Georg Pulling / Kathpress

Vielfältige Caritas-Hilfe

So wie Abdel und Yazer und ihren Familien geht es vielen syrischen Flüchtlingen in Ägypten. Insgesamt knapp 120.000 sind derzeit in Ägypten offiziell als Flüchtlinge registriert. Die Dunkelziffer liegt freilich wesentlich höher. Allein In der Region Alexandria gibt es 35.000 offizielle Flüchtlinge aus Syrien, berichtet Youssef Aziz, der örtliche Caritas-Direktor. Die Caritas hilft den Flüchtlingen finanziell, mit Lebensmittel sowie mit medizinischer und psychologischer Betreuung oder auch mit Englisch-Kursen. Rund 8.500 Menschen habe man in den vergangenen Monaten helfen können, erzählt der Caritas-Direktor stolz. Freilich sei dies ohne Hilfe aus dem Ausland, u.a. auch aus Österreich, nicht möglich.

 

Keine Flüchtlingscamps in Ägypten

Die Caritas betreibt einige Sozialzentren, und die Caritas-Mitarbeiter gehen auch in die Unterkünfte der Flüchtlinge, um beispielsweise Behinderte aufzusuchen, die nicht selbst kommen können. Flüchtlingscamps wie in anderen Ländern gibt es in Ägypten nicht. Die Flüchtlinge sind privat in Wohnungen untergebracht. Das soll auch die Integration in die ägyptische Gesellschaft fördern, gelingt jedoch nur bedingt. Die Syrer versuchen, möglichst nahe beieinander zu wohnen.

Ein Kredit für Ahmed

Bei all dem Elend und der vielfachen Perspektivlosigkeit gibt es aber doch auch Lichtblicke in Alexandria: Seit einiger Zeit versucht die Caritas, Flüchtlingen durch die Vergabe von Kleinkrediten beim Aufbau einer eigenen Existenz zu helfen; etwa bei der Gründung eines Kleingewerbes als Schuster, Bäcker oder Schneider.

 

Schneiderei in einer Tiefgarage

Irgendwo im Häusergewirr von Alexandria wagt sich Caritas-Präsident Landau in eine Tiefgarage. Tief unten in zwei kleinen Räumen ohne Tageslicht hat sich Ahmed (35) eine kleine Schneiderei eingerichtet. Mit Hilfe der Caritas-Kredite konnte er sich drei Nähmaschinen und eine Bügelmaschine anschaffen und die zwei kleinen Räume anmieten. Dann bekam der gelernte Schneider von der Caritas noch einen Business-Basiskurs als Starthilfe. 

 

Mehr ägyptische als syrische Kunden

Mittlerweile hat sich Ahmed einen ordentlichen Kundenstamm erarbeitet, "und dabei habe ich schon mehr ägyptische als syrische Kunden", erzählt er stolz. Das Einkommen reicht inzwischen für ihn, seine Frau und seine drei Kinder, um halbwegs über die Runden zu kommen. Mit einem weiteren Mikrokredit könnte er aus der Tiefgarage in eine besseres Geschäftslokal mit Tageslicht umziehen, überlegt der Syrer. 

 

Ahmed riskiert keine Überfahrt nach Europa

Ahmed denkt nun jedenfalls nicht mehr daran, allein oder auch mit seiner Familie eines der Schlepperboote zu besteigen, tausende von Dollars zu bezahlen und die ungewisse Überfahrt nach Europa zu wagen. Rund 3.200 Menschen haben diesen Versuch allein 2016 schon mit dem Leben bezahlt.

 

Was Sie tun können

Die Begegnung mit Ahmed stimmt Caritas-Präsident Landau optimistisch. "Jeder Euro zählt, und jeder Euro kann dazu beitragen, dass Menschen in der Region eine Zukunftsperspektive sehen und die tödlichen Boote über das Mittelmeer nicht besteigen", appelliert er zum Abschluss seines Besuchs in Alexandria an die Solidarität der Österreicher.

 

Helfen Sie syrischen Flüchtlingen, in Ägypten Fuß zu fassen, um nicht in die tödlichen Boote über das Mittelmeer steigen zu müssen: