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Caritas Präsident Landau: Neustart bei Mindestsicherung / Kritik an Plänen zur Obergrenze

Caritas Präsident Michael Landau erwartet sich von der Regierung einen Neustart bei der Mindestsicherung. "Teurer kann man nicht sparen als beim sozialen Frieden", sagte er im APA-Neujahrsinterview. Der von Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) präsentierte "Plan A" gebe Hoffnung im Kampf gegen die Armut. Auch in den neuen Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen setzt er große Erwartungen.

Mut > Angst

2017 Jahr der Hoffnung

"Wenn 2016 das Jahr der Angst war, dann sollten wir 2017 zum Jahr der Hoffnung erklären", wünscht sich Landau, denn: "Ich halte diese fast schon pathologische Angst-Lust, mit der im vergangenen Jahr allerorts der Untergang skizziert worden ist, erstens für übertrieben und zweitens für gefährlich." Hoffnung müsse gestärkt, Gerechtigkeits-Fragen ohne Neid angegangen werden. "Nichts hemmt solidarisches Handeln so sehr wie Angst", bekräftigt der Caritas Präsident.

Einen positiven Neuanfang wünscht sich Landau vor allem bei einem Thema: "2017 sollte das Jahr werden, in dem wir eine österreichweit einheitliche bedarfsorientierte Mindestsicherung wieder einführen und zwar besser, als sie vorher war." Dabei begrüßt er den Vorstoß von Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP), der noch einmal sondieren möchte. Der Caritas Chef kann sich laut eigener Aussage einen sinnvollen Mix aus Geld- und Sachleistungen vorstellen. Bessere Daten und mehr Transparenz wären dienlich. "Die Mindestsicherung gehört reformiert, nicht diffamiert."

Armut, nicht armutsbetroffene Menschen bekämpfen

Bei der aufgetauchten Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen ist Landau vorsichtig. "Wichtiger als ein bedingungsloses Grundeinkommen wäre mir ein bedingungsloses Grundverständnis, dass wir in Österreich die Armut bekämpfen und nicht armutsbetroffene Menschen." Zum Grundeinkommen selbst meint Landau: "Ich gestehe, dass ich hier ein wenig skeptisch bin." Zumindest müsste noch eine Reihe wichtiger Fragen im Vorfeld geklärt werden. Die Frage für den Caritas Präsidenten lautet vor allem: "Welche Sozialleistungen, die Menschen brauchen, fallen dann weg?" Eine vermeintlich einfache Lösung müsse noch nicht gerecht sein. Auch wünscht er sich eine stärkere Zusammenführung von auszahlender Stelle und AMS.

Den in Kerns Plan enthaltenen Mindestlohn sieht Landau als wichtigen Diskussionsanstoß. Klar sei, dass Arbeit, von der man leben kann, prioritäres Ziel sein müsse. "Ob jetzt dafür ein Mindestlohn über einen Generalkollektivvertrag wirklich das beste Instrument ist oder etwa eine Senkung der auch bei niedrigen Einkommen schon recht hohen Lohn- und Sozialabgaben, ist eine Frage, wo Österreich eine gute Tradition hat: das im Gespräch der Sozialpartner zu klären", meint er aber. Der Caritas Präsident pocht in diesem Zusammenhang auch auf mehr leistbaren Wohnraum. Die Mietrechts-Novelle gehöre dringend umgesetzt, sozialer Wohnbau verstärkt.

Allgemein sieht Landau die Ankündigungen des Kanzlers grundsätzlich positiv: "Das ist ein Stückchen so wie mit der neuen Elbphilharmonie in Hamburg: Es war unglaublich mühsam, hat zu lange gedauert, aber am Ende stehen nun doch harmonische Klänge. Und ich hoffe, dass auch die Bundesregierung zu harmonischeren Klängen imstande ist. Da ist es mir letztlich egal, ob der Plan A, B oder C heißt. Gleichzeitig ist klar, auch der beste Plan ist wertlos, wenn er nicht zumindest teilweise umgesetzt wird."

Auch auf anderer politischer Ebene freut sich Landau. "Ich bin froh, dass wir einen neuen Bundespräsidenten haben. Ein zehnmonatiger Wahlkampf ist für das politische Klima im Land ungefähr so zuträglich wie der Klimawandel für das Weltklima", findet er. Und: "Ich wünsche mir vom Bundespräsidenten, dass er anregt, die notwendigen gesellschaftlichen Diskussionen sachlich zu führen, im Respekt voreinander und füreinander." Van der Bellen würde die nötigen Voraussetzungen mitbringen.

Kritik an Plänen zur Asyl-Obergrenze

Caritas Präsident Michael Landau kritisiert Pläne zur Halbierung der Flüchtlings-Obergrenze. "Es kann nicht sein, dass wir Menschen in Situationen der Verfolgung und des Kriegs zurückschicken", sagte er im APA-Neujahrsinterview. Gerade in der kalten Jahreszeit würden Menschen auf der Flucht wie auch in Österreich ums Überleben kämpfen. Mehr Aufmerksamkeit wünscht er sich auch beim Thema Pflege.

Obergrenzen verhindern nicht, dass Menschen auf der Flucht ihr Leben riskieren

"Menschen mitten in Europa kämpfen in Schnee und Eis ums Überleben - und was macht das offizielle Österreich? Es schickt 20 Polizisten zur Grenzsicherung", geht Landau mit der Flüchtlingspolitik abermals ins Gericht. Es gehe nicht um Metaphern, sondern um echte Menschen - "und das permanente Halbieren von Obergrenzen löst keinen Krieg in Syrien und verhindert nicht, dass Menschen auf der Flucht nach Europa ihr Leben im Mittelmeer riskieren und allzu oft verlieren".

Landau erwartet sich nun, "dass endlich klargestellt wird, dass die Genfer Flüchtlingskonvention und die Europäische Menschenrechtskonvention in Österreich auch in Zukunft auf Punkt und Beistrich eingehalten werden." In dem Fall zeigt er sich dankbar, dass Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) eine Diskussion auf europäischer Ebene eingemahnt habe. Landau: "Ich unterstütze das Bemühen um mehr europäische Solidarität. Der Ausbau der Hilfe in den Herkunftsländern ist da ein ganz wesentlicher Punkt."

Obdachlosigkeit hat viele Gesichter

Aber nicht nur in Serbien und Griechenland würden Menschen auf der Flucht derzeit bei Kälte ums Überleben kämpfen. "Obdachlosigkeit hat viele Gesichter und ist die sichtbarste Art der Armut", meint er zu einer der Kernaufgaben der Caritas, die in den vergangenen Tagen vermehrt bei der Betreuung im Einsatz war. "Gerade bei arktischer Kälte steigt der Druck. Minusgrade wie in den vergangenen Tagen sind ein absoluter Stresstest - für die Betroffenen aber auch für die Wohnungslosenhilfe insgesamt."

Auch für eine weitere Bevölkerungsgruppe wünscht sich der Caritas Präsident mehr Aufmerksamkeit. Zwar hält er die Valorisierung des Pflegegeldes "für wichtig und richtig", ebenso notwendig sei aber auch ein "Systemwechsel hinaus aus der Sozialhilfe und hinein in eine solidarische Finanzierung". Landau fordert unter anderem einheitliche Finanzierungs-, Versorgungs- und Qualitätsstandards in den Ländern, denn: "Niemand versteht, warum die Systeme unterschiedlich sind." Und er mahnt ein, die vorhandenen Lücken, etwa zwischen Hauskrankenpflege und 24-Stunden-Betreuung, endlich zu schließen.

Debatte um Kopftuchverbot als "Symboldiskussion"

Eine "Symboldiskussion" sieht Landau hingegen bei jener über ein Kopftuchverbot im öffentlichen Dienst. "Wichtig ist zuallererst, dass Frauen selbstbestimmt leben. Egal, wie sie heißen. Egal, woher sie kommen. Und was sie dabei tragen ist mir offen gestanden egal", meint er und weiter: "Ich glaube, dass ein bisschen populistisch anmutende Diskussionen nicht zu den dringlichsten Fragen zählen, die beantwortet werden sollen."

Wir > Ich