Kindeswohl hat immer Vorrang

Landau kritisiert Abschiebung scharf: Es ist ein Zeichen von Schwäche, wenn der Staat glaubt, seine Stärke mit der Abschiebung kleiner Kinder demonstrieren zu müssen.

Angesichts der Abschiebung dreier Schülerinnen und ihrer Familien in der Nacht auf Donnerstag nach Georgien und Armenien sagt Michael Landau, Präsident der Caritas: „Die Bilder, die wir in den vergangenen Tagen sehen mussten, sind keine, die man wollen kann. Das Wohl von Kindern und Kinderrechte müssen Vorrang haben. Ja, Entscheidungen, die aus rechtsstaatlichen Verfahren hervorgehen, sind grundsätzlich zu respektieren. Doch wenn selbst so gut integrierten Familien kein humanitäres Bleiberecht mehr gewährt wird, droht dieses Instrument zu totem Recht zu verkommen. Gesetze sind immer auch Ausdruck eines politischen Willens. Führen sie letztlich zu Ergebnissen, die in ihrem Grundsatz nicht gewollt sind, kann und muss man diese Gesetze ändern.“

Vorrang für das Kindeswohl und Fokus auf den Integrationsgrad

Die Caritas beobachtet, dass die Situation des Kindes, das sich mit seiner Familie in Österreich aufhält, in der Entscheidungsfindung bezüglich seines Bleiberechts oft vernachlässigt wird. So wird der Integrationsgrad der Eltern berücksichtigt, jedoch nicht der Integrationsgrad der Kinder. „Ich bin überzeugt, das Wohl von Kindern und ihre Rechte müssen überall auf der Welt Vorrang haben. Somit muss die Integration der Kinder stärker in die Interessenabwägung einfließen und im Zweifelsfall Priorität haben.“, so Landau. Angesichts der Bilder würden sich – unabhängig von der Asylentscheidung – gravierende Fragen stellen: Wurden die Kinder ausreichend gehört? Wurden ihre Rechte ausreichend berücksichtigt? 

Rasche, faire und qualitätsvolle Asylverfahren und humanitäres Bleiberecht auf regionaler Ebene

Verfahren, die sich über Jahre erstrecken, während sich Betroffene mehr und mehr verwurzeln, bevor sie dann in einer Abschiebung enden, sind für die Betroffenen sowie ihr Umfeld schwer zu verkraften. Michael Landau: „Nicht jeder, der Asyl beantragt, wird Asyl erhalten können. Es muss aber sichergestellt werden, dass Verfahren fair, qualitätsvoll und rasch geführt werden, damit Schutzsuchende möglichst schnell Klarheit darüber bekommen, ob sie bleiben können oder nicht.“

Zudem würde es der Caritas-Präsident begrüßen, wenn die Entscheidung über ein humanitäres Bleiberecht wieder auf regionaler Ebene erfolgen würde: „Ist der Abzuschiebende Nachbar, Freund oder Kollege, dann hat er Name, Gesicht und ein Schicksal. Dann ist er Gemeindebürger. Bürgermeister*innen und Gemeindevertreter kennen ihn. Der Grad der Integration und die Verwurzelung in Österreich, die für die Entscheidung zentral sind, können auf Länder- oder regionaler Ebene besser beurteilt werden.“

Menschenwürdige Behandlung schutzsuchender Menschen

Schutzsuchende Menschen müssen in allen Stadien des Verfahrens menschenrechtskonform und menschenwürdig behandelt werden. Das beinhalte neben dem Verfahren und der Unterbringung auch die Art und Weise, wie eine eventuelle Abschiebung erfolgt. Präsident Landau: „Hier stellt sich die Frage, ob es notwendig und verhältnismäßig ist, Familien mit Kindern unter großem Polizeiaufgebot mitten in der Nacht und unter Einsatz von Polizeihunden zum Flughafen zu bringen.“

Zudem sei auch in Frage zu stellen, ob Abschiebungen von Familien mit Kindern, die in Österreich geboren sind, jetzt – mitten in einer Jahrhundertpandemie – notwendig seien, so Landau abschließend: „Wir denken, jetzt wäre ein guter Zeitpunkt Menschlichkeit walten zu lassen. Und wenn es dazu rechtliche Änderungen braucht, dann wäre jetzt ein guter Zeitpunkt, diese auch in die Wege zu leiten.“

Caritas Österreich
Melanie Wenger-Rami
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