ArbeitsmigrantInnen im Libanon: Die Zeit der Ausbeutung muss enden

Für die Auslandshilfe der Caritas Salzburg ist der Libanon eines ihrer Schwerpunktländer. Mehrfachkrisen im Zedernstaat bedrohen Arbeitsmigrantinnen aus Afrika und Asien besonders.



Der Libanon ist seit Jahrzehnten mit einer Reihe scheinbar unlösbarer Krisen konfrontiert. Die Explosion im Hafen von Beirut im vergangenen Sommer und der Ausbruch von Covid-19 hat alles noch einmal verschärft. Das Land steht am Abgrund. Das libanesische Pfund verlor in acht Monaten mehr als 80% an Wert.  Die Inflation erreicht fast 80 Prozent und zahlreiche Geschäfte müssen schließen. Allein seit Dezember sind die Lebensmittelpreise um mehr als 400 Prozent gestiegen. Wer Mindestlohn bezieht, hat nur mehr rund 45 Euro monatlich zur Verfügung. Die Arbeitslosenquote liegt bei 40 Prozent. Die wirtschaftliche Situation hat zehntausende Menschen in Bedrängnis gebracht und große Proteste gegen die Regierung ausgelöst. 


„Arbeitssklaven“ aus Afrika und Asien für den Libanon

Die aktuellen Krisen drängen das Schicksal der Arbeitsmigrantinnen und -migranten in den Hintergrund. Dabei gehören sie zu den schutzbedürftigsten Menschen im Land. 

Über eine Million Syrerinnen und Syrer leben im Libanon, zudem ist das Land traditionell ein Ziel für asiatische und afrikanische Arbeitsmigrantinnen und -migranten. Die Frauen stranden überwiegend als Dienstmädchen in libanesischen Haushalten, in der Hoffnung auf gute Verdienstmöglichkeiten, um ihren Familien in der Heimat Geld schicken zu können. Nach Angaben von Amnesty International leben und arbeiten aktuell rund 250.000 Hausangestellte ausländischer Herkunft im Libanon. Die Dunkelziffer wird auf etwa das Doppelte geschätzt.
 

"Ich habe in zwei Haushalten gearbeitet, bis 2 Uhr 30 morgens. Und ich musste um 5 Uhr 30 wieder aufstehen. Ich wurde seit Monaten nicht bezahlt und bekam nicht genug zu essen“, erzählt eine junge Frau über ihre Arbeitsbedingungen als Hausangestellte in Beirut. 

 


Das Kafala-System: Überstunden und kein Schutz vor Ausbeutung

Verantwortlich für die Situation der Frauen ist meist das viel kritisierte sogenannte Kafala-System, welches das Arbeitsvisum der MigrantInnen mit dem Namen ihres Arbeitgebers, dem "Kafil", verbindet.  Sobald die Hausangestellte libanesischen Boden betritt, gilt der Kafil automatisch als Bürge und als juristisch Verantwortlicher.

Menschenrechtsverletzungen, Diskriminierungen durch Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber und die Personalagenturen, über die die Frauen ins Land kommen, sind weit verbreitet. Im Allgemeinen sind die Hausangestellten nicht durch das libanesische Arbeitsrecht geschützt. Stattdessen arbeiten sie unter einer Reihe von Gesetzen, Richtlinien und Praktiken namens „Kafala“. Dieses System erteilt den Arbeitgeberinnen und -gebern, die volle wirtschaftliche und rechtliche Verantwortung und gibt ihm die Macht zur Ausbeutung. 20 Stunden Tage, ausbleibender Lohn, kein ausreichender Zugang zu Wasser und Nahrung – für viele der Frauen ist das Alltag. Die Covid-Pandemie und die Finanzkrise sowie die Explosionskatastrophe von Beirut haben ihre Situation dramatisch verschlimmert. Viele Arbeitgeber haben ihre Hausmädchen einfach auf die Straße gesetzt und „entsorgt“. 
 



Wichtige Schritte auf dem Weg zur Abschaffung des Kafala-Systems 

Das von der Europäischen Union finanzierte MIRA-Projekt setzt mit drei großen lokalen Partnerorganisationen Maßnahmen, die darauf abzielen, die Rechte der Arbeitsmigrantinnen und -migranten zu verbessern. Ziel ist es, das Kafala-Systems abzuschaffen und gleichzeitig für die Betroffenen Schutz und Dienstleistungen zu sichern. Ein wichtiger Meilenstein: Dank dem unermüdlichen Einsatz der NGO’s begehen Frauen, die das Haus ihres Arbeitgebers verlassen, erst seit kurzem keine Straftat mehr. Zuvor konnten die Arbeitgeber die Angestellten wegen „Weglaufens“ anzeigen. 


Hilfe in Not und Perspektiven

Neben der Überlebenshilfe ist es wichtig, die Kompetenzen und den Selbstwert der Frauen zu stärken. So gibt es beispielsweise einen Grundkurs, der sie zu Finanzthemen schult –  sie erlangen Wissen, das ihnen nach der Rückkehr in ihre Heimat zugutekommt. 

In den Schutzhäusern der Caritas-Partnerorganisationen bekommen die Frauen nicht nur eine Unterkunft. Sie haben Zugang zu Sozial- sowie Gesundheitsleistungen, erhalten eine Rechtsberatung. Für schwer schutzbedürftige und missbrauchte Frauen gibt es eine 24-Stunden-Betreuung.

Der Weg zum umfangreichen Schutz der Frauen ist aber noch nicht zu Ende. Die anwaltschaftlichen Aktivitäten richten sich daher an Regierung, Öffentlichkeit, Zivilgesellschaft und die Personalagenturen im Libanon.

ArbeitsmigrantInnen im Libanon

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