Frau geht schwer bepackt durch zerrüttete Straße

70 Jahre Genfer Flüchtlingskonvention – und noch nie so wichtig wie heute

Vor genau 70 Jahren, am 28. Juli 1951 wurde die Genfer Flüchtlingskonvention verabschiedet. Bis heute ist sie die beste Basis für den Schutz flüchtender Menschen. Und trotzdem werden die Rechte von geflüchteten Menschen – und damit die Bestimmungen der Genfer Flüchtlingskonvention – heute auch in Europa vielfach missachtet, so Michael Landau, Präsident der Caritas Österreich: „Seit geraumer Zeit sind Pushbacks an den EU-Außengrenzen Realität. Auch der Umstand, dass Griechenland Asylverfahren für Menschen suspendiert, die aus Syrien, Afghanistan oder Somalia flüchten müssen, steht im klaren Widerspruch zur Konvention. Und nicht zuletzt laufen Überlegungen wie in Dänemark, Asylsuchende zur Bearbeitung ihrer Anträge in Drittstaaten zu überstellen, in welchen die Ressourcen möglicherweise weder für die Sicherheit noch für faire Verfahren ausreichend sind, Text und Geist der Genfer Flüchtlingskonvention zuwider.“

Genfer Flüchtlingskonvention hat Schutz vieler Millionen Menschen ermöglicht

Anstatt über Adaptierungen nachzudenken, oder die Konvention in Frage zu stellen, sollte es jetzt in erster Linie darum gehen, dass die Bestimmungen so umgesetzt werden, wie sie im Rahmen der Konvention beschlossen wurden. Landau: „Für mich ist die Genfer Flüchtlingskonvention so etwas wie eine Magna Charta und Ausdruck sowie Lehre aus einer schmerzlich gelernten Geschichte, die sich nie mehr wiederholen darf. Sie hat den Schutz vieler Millionen Menschen ermöglicht“. Während Österreich durch die Aufnahme Geflüchteter eine internationale Verpflichtung erfüllt, verbunden mit Rechten und Pflichten, sind die aufgenommenen Menschen vielfach auch zu einem unverzichtbaren Teil der Gesellschaft geworden, so Landau aus den Erfahrungen der Caritas: „Geflüchtete Menschen, die in Österreich oder Ländern der EU ein Zuhause gefunden haben, spielen nicht nur seit langem eine wesentliche Rolle bei der Aufrechterhaltung der europäischen Wirtschaft in unterschiedlichen Sektoren wie der Gastronomie und Hotellerie, dem Bau- und Gesundheitswesen, sondern sind Teil unsere Kultur und zu Nachbar*innen und oft auch Freund*innen geworden.“

M.N. zum Beispiel, ein mittlerweile junger Mann, der als unbegleiteter Minderjähriger aus einem islamischen Land nach Österreich kam, eine Lehre in der Gastronomie höchst erfolgreich abschloss und daneben noch ehrenamtlich arbeitete, auf die Frage, warum er sich entschieden habe, sich freiwillig zu engagieren: „Während der Pandemie herrschte eine schwierige Zeit. Aus Sicht der Menschlichkeit war es mir wichtig, mitzuhelfen. Das Caritas-Lager […] hat dringend freiwillige Mitarbeiter gesucht. Es mir ein Anliegen, einen positiven Beitrag in der Gesellschaft zu leisten.“ Auf der anderen Seite sagt J.W., der sich um einen jungen afghanischen Mann kümmert: „Er ist wie ein Kind für mich, auch wenn er nicht dabei ist, sagen meine Freundin und ich immer, dass das „unser Bub“ ist. Es würde uns sehr leidtun, wenn er nicht mehr da wäre. Wir schauen oft gemeinsam Fußball, auch die Bundesliga und mir zu liebe schaut er sich sogar den LASK an.“

„Noch nie so wichtig, wie heute.“

„So lange Krieg herrscht, so lange Menschen in den Herkunftsländern keinen Schutz und keine Perspektive finden, und so lange mit Waffenhandel viel Geld verdient wird, so lange werden Menschen sich auf den Weg machen, auch nach Europa. Wir sollten in Österreich und Europa nach meiner Überzeugung noch viel deutlicher das Recht nicht fliehen zu müssen artikulieren. Und das reicht von Kriegen bis zu den dramatischen Folgen der Klimakrise“, sagt Caritas Präsident Landau mit einem Hinweis auf die Zahlen: Ende 2020 galten über 82 Millionen Menschen weltweit als vertrieben – auf Grund von Verfolgung, Konflikt, Gewalt, Menschenrechtsverletzungen oder anderen Ereignissen, die die öffentliche Ordnung schwerwiegend stören. 86% aller Vertriebenen werden von Entwicklungsländern beherbergt, und nur ein sehr kleiner Teil schafft es bis Europa. Landau: „Mehr denn je brauchen wir daher globale Solidarität gegenüber den Entwicklungsländern, die selbst mit beispiellosen Herausforderungen in der Versorgung der Vertriebenen und nicht zuletzt auch auf Grund von Covid-19 konfrontiert sind.“

Abschließend appelliert der Präsident auf die Umsetzung der Bestimmungen der Genfer Flüchtlingskonvention und damit Betroffenen Sicherheit zu ermöglichen: „Klar ist: Schutzgewährung ist kein Gnadenakt, sondern eine rechtlich verbriefte Verpflichtung der Länder. Und der Zugang zu Schutz in Österreich und in der EU muss erhalten bleiben. Die Genfer Flüchtlingskonvention ist bleibend aktuell. Und sie war vielleicht noch nie so wichtig, wie heute.“