© Ingo Pertramer

Caritas zu ALG-Reform: Es braucht lückenlose Absicherung von Menschen, die von Arbeitslosigkeit betroffen sind

Langzeitbeschäftigungslosigkeit zentrale Herausforderung für Parr: „Das Ziel der Reform muss sein, den vorgezeichneten Weg von Arbeitslosigkeit in Armut zu durchbrechen.“

 

Anlässlich der heute stattfindenden Enquete zur Arbeitslosenversicherung NEU von Arbeitsminister Kocher warnt Anna Parr, Generalsekretärin der Caritas Österreich: „Es ist erfreulich, dass die Arbeitslosigkeit stetig zurückgeht und wir das Vorkrisenniveau erreicht haben. Gleichzeitig sind wir besorgt ob der hohen Anzahl an langzeitbeschäftigungslosen Menschen.“ Knapp jede*r dritte Arbeitslose ist mittlerweile mehr als ein Jahr ohne Arbeit und laut Definition des AMS langzeitbeschäftigungslos. Parr: „Wir wissen, wer lange arbeitslos ist, hat ein hohes Risiko, in Armut zu geraten. Und wir müssen gleichzeitig immer bedenken: Arbeit ist für Menschen nicht nur in materieller Hinsicht lebensnotwendig, sondern auch ein wesentlicher Faktor für gesellschaftliche Teilhabe.“

Die von Arbeitsminister Kocher angekündigte Arbeitsmarktreform hat aus Sicht der Caritas daher zwei zentrale Aufträge: Erstens, das Arbeitslosengeld muss in einem Ausmaß erhöht werden, dass es vor Armut schützt. Zweitens, braucht es bei Langzeitbeschäftigungslosigkeit eine treffsichere Unterstützung, die es den Betroffenen ermöglicht, wieder Fuß zu fassen am ersten oder auch zweiten Arbeitsmarkt. Parr: „Es braucht insbesondere für jene Menschen, die nicht mehr 100 Prozent ihrer Arbeitsleistung erbringen können, gezielte Angebote. Die Aktion Sprungbrett war hier ein guter Anfang, aber die Fördermaßnahme ist zeitlich begrenzt. Aus unserer täglichen Erfahrung in unseren Beschäftigungsprojekten wissen wir, dass es im Kampf gegen Langzeitbeschäftigungslosigkeit langfristige Angebote und Maßnahmen braucht.“

Degressives Arbeitslosengeld verhindert Armutslagen nicht.

Aktuell beschäftigt Klient*innen der Caritas Sozialberatungsstellen kein Thema mehr als die steigenden Kosten für Wohnen, Heizen und Energie, so Parr: „In Anbetracht dessen, dass mit einer weiter steigenden Inflationsrate zu rechnen ist, werden vor allem jene stark weiter unter Druck kommen, die vom Arbeitslosengeld leben müssen. Einmalzahlungen waren hier ein guter und wichtiger Schritt – aber nicht gut genug. Es braucht in dieser Reform die Erhöhung der Nettoersatzrate beim Arbeitslosengeld auf ein existenzsicherndes Niveau.“ Im Falle einer degressiven Neu-Gestaltung des Arbeitslosengeldes – bei Beibehaltung der 55%igen Nettoersatzrate als Untergrenze - gilt es aus Sicht der Caritas zu bedenken, dass dies nur jene Personen ausreichend schützt, die sich wenige Monate in Arbeitslosigkeit befinden, sagt Parr: „Ein degressives Arbeitslosengeld verbessert nicht die besonders gefährdete Situation der Langzeitbeschäftigungslosen. Gleichzeitig ist aber gerade diese Gruppe die in Österreich am stärksten von Armut betroffene! Das muss bei einer Reform des Arbeitslosengeldes unbedingt berücksichtigt werden.“

Keine Einschränkungen beim Zuverdienst!

Auch etwaige Einschränkungen beim Zuverdienst könnten sich auf die Gruppe der langzeitbeschäftigungslosen Menschen negativ auswirken. Derzeit bedeutet der Zuverdienst für von Arbeitslosigkeit betroffene Menschen einen geringen, aber oft sehr entscheidenden Beitrag, um finanziell über die Runden zu kommen, so Parr: „Gleichzeitig behalten von Langzeitarbeitslosigkeit Betroffene damit auch den Anschluss an den sich derzeit stark verändernden Arbeitsmarkt. Der Weg zurück in ein stabiles Beschäftigungsverhältnis fällt so oft leichter. Gerade für Langzeitbeschäftigungslose muss die Möglichkeit, dazuzuverdienen, auf jeden Fall erhalten bleiben.“ Abschließend fordert Parr, die geäußerten Vorschläge für das „Ruhen“ des Arbeitslosengeldes in den ersten Wochen der Arbeitslosigkeit nicht in Betracht zu ziehen: „Wir müssen sicherstellen, dass Menschen, die ihre Arbeit verlieren, lückenlos finanziell abgesichert sind, denn Fixkosten machen auch keine Pause.“