Parr: „Pflegebedürftige Menschen brauchen ein integriertes Pflege- & Betreuungssystem, das sie vom ersten Unterstützungsbedarf bis hin zur intensiven Pflege bestmöglich begleitet.“
Am internationalen Tag der Pflege richtet die Caritas Österreich einen dringenden Appell an Politik und Gesellschaft: Die Herausforderungen im Bereich Pflege und Betreuung nehmen rasant zu – und das nicht nur aufgrund des demografischen Wandels, sondern auch angesichts steigender finanzieller Belastungen und knapper werdender Ressourcen. Notwendig ist jetzt ein tiefgreifender Strukturwandel hin zu einem integrierten Versorgungssystem, das die Lebensrealitäten pflegebedürftiger Menschen ernst nimmt.
„Pflege darf nicht länger in Einzelbereichen gedacht und gesteuert werden. Menschen brauchen im Laufe ihres Lebens medizinische und pflegerische Unterstützung – oft gleichzeitig oder aufeinanderfolgend. Genau deshalb müssen wir die bestehenden Strukturen stärker vernetzen und an den Bedürfnissen der Betroffenen ausrichten.“, so Anna Parr, Generalsekretärin der Caritas Österreich.
Integrierte Versorgung als Grundprinzip
Pflege- und Gesundheitsleistungen verlaufen aktuell noch zu häufig nebeneinander statt miteinander. Es fehlt an abgestimmten Übergängen, digitaler Vernetzung und einer klaren Zuständigkeit entlang der Versorgungskette. Die Caritas fordert den gezielten Aufbau eines integrierten Gesamtsystems, in dem medizinische Behandlung, mobile Pflege, Betreuung zu Hause, Tageszentren, Kurzzeit- und stationäre Pflege nahtlos ineinandergreifen. Wenn eine Versorgungsform nicht mehr ausreicht, muss ohne bürokratische Hürden die nächste passende Stufe aktiviert werden – abgestimmt, effizient und verständlich für alle Beteiligten.
Versorgung soll dem Bedarf folgen – nicht den Kostenregelungen
Aktuelle gesetzliche Vorgaben und Selbstbehaltsregelungen führen dazu, dass Menschen Pflegeangebote nicht dort erhalten, wo sie sie gerade brauchen. Wer sich mobile Pflege oder eine 24-Stunden-Betreuung zu Hause irgendwann nicht mehr leisten kann, wechselt mitunter zu früh in eine stationäre Einrichtung – was nicht nur menschlich schwierig ist, sondern auch höhere öffentliche Kosten verursacht. Ein integriertes System muss es ermöglichen, dass pflegebedürftige Menschen möglichst lange dort betreut werden, wo es für sie sinnvoll und richtig ist – sei es zu Hause, teilstationär oder stationär.
Fachkräfte unterstützen – Angebote ausbauen
Ein zukunftsfähiges Pflegesystem braucht ausreichend motivierte und gut ausgebildete Fachkräfte. Die Caritas spricht sich daher klar für eine Fortsetzung und Ausweitung der Ausbildungsoffensive in Pflege- und Betreuungsberufen aus. Ebenfalls wichtig sind attraktive Arbeitsbedingungen, die Menschen langfristig in diesen Berufen halten. Gleichzeitig müssen zentrale Angebote weiter ausgebaut und finanziert werden – insbesondere mobile Dienste, Tageszentren sowie Kurzzeit- und Übergangspflege. Gerade in den Tagesstrukturen zeigen sich Schwächen: Die Finanzierung ist unzureichend geregelt, und starre Vorgaben – etwa bei Ausfalltagen, die dennoch voll verrechnet werden – erschweren den Zugang zusätzlich. Die medizinische Versorgung soll dabei verstärkt zu den Menschen kommen, geleitet und koordiniert von Person-zentriertem Case-Management. Auch die bessere digitale Anbindung des Pflegebereichs, etwa durch die Einbindung in die ELGA, ist dringend notwendig, um Informationen effizient zu nutzen und die Versorgung zu verbessern.
Ein klarer Appell an die Politik
„Der Fokus liegt derzeit stark auf dem Gesundheitsbereich – aber wenn wir die Langzeitpflege vernachlässigen, steuern wir sehenden Auges auf eine Versorgungskrise zu“, warnt Parr. Wer das Versprechen aufrechterhalten will, dass Menschen in Österreich auch 2030 oder 2040 gut gepflegt und betreut werden, muss jetzt investieren – auch in Zeiten von Budgetdruck. Ein integriertes Versorgungssystem ist kein Luxus, sondern eine grundlegende Voraussetzung dafür, dass Pflege in Zukunft menschlich, effizient und leistbar bleibt.“, so Parr.
Die im Regierungsprogramm angekündigte bundesweite Pflege- und Betreuungsstrategie könnte ein erster Schritt in diese Richtung sein – wenn ihr konkrete Maßnahmen und ein echter politischer Wille zur Umsetzung folgen.