Caritas Generalsekretärin Anna Parr © Ingo Pertramer

Armut verfestigt sich – Krisenjahre haben Spuren hinterlassen, Reformen jetzt angehen

Die Krisenjahre mit hoher Inflation haben ihre Spuren hinterlassen. Die Zahl der Menschen, die von Armut betroffen sind, bleibt mit 336.000 hoch. Nach dem Rekordanstieg und der Zunahme von rund 130.000 Menschen mehr in Armut in den letzten zwei Jahren gibt es keine Trendumkehr: Armut hat sich in Österreich verfestigt.

„Die heute von der Statistik Austria veröffentlichten Zahlen zur Armut in Österreich zeigen: Die Armutszahlen haben sich nach den Krisenjahren verfestigt, sie bleiben auf einem viel zu hohen Niveau – und das trotz der Einmalhilfen. Wer einmal in Armut gerutscht ist, kommt nur schwer wieder heraus. Das ist bitterer Alltag für hunderttausende Menschen in Österreich. Wir müssen Armut zurückdrängen. Sie ist kein Schicksal, sondern Folge von ungerechten Strukturen.“, sagt Anna Parr, Generalsekretärin der Caritas Österreich.

„In den heute präsentierten Zahlen kommt klar zum Ausdruck: Bildung ist der beste Schutz vor Armut. Wer nur einen Pflichtschulabschluss hat, verdient deutlich weniger und lebt häufiger in Armut. Eine weiterführende Ausbildung erhöht die Chancen auf ein gutes Leben. Die Politik muss endlich dafür sorgen, dass alle Kinder und Jugendlichen Zugang zu guter Ausbildung haben – von Anfang an“, so Parr weiter. 

Kinder, Alleinerziehende und Personen mit niedrigem Bildungsabschluss sind besonders betroffen

  • 336.000 Menschen in Österreich leben in absoluter Armut. Sie können sich das Nötigste nicht leisten: Essen, Heizen, Miete. Vor der Krise waren es rund 130.000 Menschen weniger. Die Krisen haben deutliche Spuren hinterlassen.
  • 79.000 Kinder und Jugendliche wachsen in absoluter Armut auf.
  • Personen mit Pflichtschulabschluss waren zu fast 10% von absoluter Armut betroffen
  • Rund ein Drittel aller Alleinerziehenden lebt unter der Armutsgefährdungsschwelle. Für alleinlebende Frauen in der Pension ist das Armutsgefährdungsrisiko sogar von 28% auf 32% gestiegen
  • Menschen ohne Arbeit sind von Armut betroffen – Arbeitslose gehören zur Gruppe mit dem höchsten Armutsrisiko. Rund die Hälfte der Arbeitslosen sind armutsgefährdet. 

Bisherige Maßnahmen reichen nicht aus – jetzt braucht es Reformen

„Wir wissen, dass wir in Österreich eine Budgetkonsolidierung brauchen. Angesichts der heute veröffentlichten Zahlen muss aber klar sein: Die Budgetsanierung darf nicht auf dem Rücken der Ärmsten ausgetragen werden: Alle jetzt geplanten Reformen und Maßnahmen müssen Menschen aus der Armutsfalle herausholen und vor neuer Armut schützen. Die Kernaufgabe des Sozialstaates darf nicht in Frage gestellt werden. Wir brauchen kluge Reformen, um Armut gar nicht erst entstehen zu lassen, in jedem Fall aber ein armutsfestes Sozialsystem. Mit Einmalzahlungen hat die Politik kurzfristig geholfen, dennoch haben sich die Armutszahlen verfestigt. Doch Einmalzahlungen verpuffen. Es braucht mehr: grundlegende Reformen für ein armutsfestes Sozialsystem - ein sicheres Fundament für jeden Tag. Ein Netz, das stark und eng genug ist, um auch die Schwächsten aufzufangen“, so Parr.

Forderungen der Caritas

  • Nicht bei den Ärmsten sparen: Die geplante bundesweit einheitliche Sozialhilfe ist absolut zu begrüßen. Sie jetzt zu kürzen, wäre aber unverantwortlich - und auch keine budgetrettende Einsparung: Die Sozialhilfe macht nur 0,4 % der Staatsausgaben aus. Einzelmaßnahmen greifen zu kurz und würden jene bestrafen, die mit diesem allerletzten sozialen Netz gerade so über die Runden kommen. Es braucht eine grundlegende Reform der Sozialhilfe. Sie muss unbedingt mit der Kindergrundsicherung zusammen gedacht werden.
  • Investitionen in die Bildung: Die aktuellen Zahlen zeigen, wie zentral Investitionen in das Bildungssystem sind. Das Regierungsprogramm sieht hier einiges vor. Der Ausbau der Kinderbetreuung muss rasch umgesetzt werden. Die Situation an den österreichischen Bildungseinrichtungen muss stabilisiert werden. Zudem muss die Kindergrundsicherung mit einem raschen Ausbau der elementaren Bildungseinrichtungen einhergehen.
  • Arbeitslose unterstützen statt bestrafen: Jede Investition in das AMS und eine erfolgreiche Arbeitssuche muss unterstützt werden! Es braucht aber mehr Ausnahmen für Zuverdienstmöglichkeiten: die Abschaffung der 6-Monatsfrist für Langzeitarbeitslose und Sonderregelungen für besonders belastete Personengruppen wie Alleinerziehende oder Menschen mit Behinderung bzw. Menschen mit besonders niedrigem Arbeitslosengeld. Weiters muss die Notstandshilfe an das aktuelle Preisniveau angepasst werden.
  • Unterhaltsgarantie umsetzen: In Österreich darf kein Kind in Armut aufwachsen. Alle Kinder müssen abgesichert sein – unabhängig davon, ob ihre Eltern getrennt leben oder arbeitslos sind. Der geplante Unterhaltsfonds muss rasch umgesetzt werden und zu einer Unterhaltsgarantie ausgebaut werden. 

Parr abschließend: „Angesichts der heute veröffentlichten Zahlen wissen wir, dass wir beides brauchen: Schnelle Maßnahmen, um unser Sozialsystem wieder armutsfest zu machen - ein Netz, das hält und schützt, wenn Krisen kommen. Und zweitens vorrangige Investitionen, damit Armut gar nicht erst entsteht - vor allem in Bildung und Elementarpädagogik, in erfolgreiche Arbeitssuche, in gute Integrationsangebote und individuelle Förderung und Unterstützung. Ein bloßes Bekenntnis, Armut reduzieren zu wollen, reicht nicht aus. Es ist an der Zeit, dass die Politik trotz der schwierigen wirtschaftlichen Lage Taten folgen lässt."