Häupl und Landau zu anstehender Arbeitsmarktreform: „Mehr Druck schafft nicht mehr Arbeitsplätze!“

„Wir beginnen heute mit einer guten Nachricht“, sagte Caritas Präsident Michael Landau zu Beginn einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Michael Häupl, Präsident der Wiener Volkshilfe, am Freitag: „Die Arbeitslosigkeit ist in Österreich erstmals wieder auf Vorkrisenniveau gesunken. Die schlechte Nachricht lautet: Für eine Entwarnung ist es noch zu früh! Die Zahl der Langzeitbeschäftigungslosen befindet sich nach wie vor auf einem Rekord-Hoch. Rund 120.500 Menschen in Österreich sind betroffen. Beinahe jede*r zweite Arbeitslose ist mittlerweile seit mehr als einem Jahr ohne Job. Wir erleben derzeit eine Krise der Langzeitbeschäftigungslosigkeit. Und dieser Krise müssen wir als Gesellschaft entschieden die Stirn bieten!“ Gemeinsam mit Häupl eröffnete Landau die Wörkerei, ein Beschäftigungsprojekt von Caritas und Volkshilfe für junge Erwachsene in Wien. Gemeinsam nahmen die beiden dabei auch Stellung zur von der Bunderegierung für das Frühjahr angekündigten Reform des Arbeitsmarktes. „Menschen, die über längere Zeit arbeitslos sind – wollen arbeiten! Der Umstand, dass es am sogenannten ‚ersten Arbeitsmarkt‘ keinen Job für sie gibt, ergibt die Notwendigkeit, dass wir über den ‚zweiten Arbeitsmarkt‘ Jobs für diese Menschen bereitstellen müssen“, unterstrich Michael Häupl, der Präsident der Volkshilfe Wien, die große Bedeutung der Wiedereingliederung langzeitarbeitsloser Menschen in den Arbeitsmarkt.

Forderung nach höherem Arbeitslosengeld und Absage an pauschales Aus für geringfügigen Zuverdienst

„Eine Reform des Arbeitsmarktes bietet Chancen. Aber mehr Druck schafft noch keine Arbeitsplätze“, sind sich Häupl und Landau einig, der ergänzte: „Wenn die Bundesregierung die Höhe des Arbeitslosengeldes jetzt in Frage stellt, dann bitteschön nicht, weil es angeblich zu hoch, sondern weil diese Versicherungsleistung oft zu niedrig ist und viele Menschen nicht vor Armut schützt!“ Beide verwiesen auf die in Österreich geltende und im internationalen Vergleich niedrige Netto-Ersatzquote und auf die Tatsache, dass in der Krise Einmalzahlungen für arbeitslose Menschen ausbezahlt werden mussten. Einer degressiven Ausgestaltung des Arbeitslosengeldes erteilte Landau zwar keine grundsätzliche Absage, aber klar müsse sein: „Am Ende braucht es eine Erhöhung der Nettoersatzrate beim Arbeitslosengeld auf ein existenzsicherndes Niveau bei gleichzeitiger Beibehaltung der Notstandshilfe. Den betroffenen Personen muss es möglich sein, ohne existenzielle Sorgen einen Weg zurück ins Arbeitsleben einzuschlagen.“

Häupl erteilte darüber hinaus der vorgeschlagenen Abschaffung von Zuverdienstmöglichkeiten eine Absage: „Solange das Arbeitslosengeld nicht existenzsichernd ist, darf an der Zuverdienstmöglichkeit nicht gerüttelt werden – auch, weil mit einer Abschaffung eine Rückkehr auf den ersten Arbeitsmarkt nicht erleichtert, sondern zusätzlich erschwert würde. Es muss darum gehen, Armut und Arbeitslosigkeit zu bekämpfen und nicht darum, sie zu fördern!“ Häupl weiter: „Diese ‚Geiz ist geil‘-Mentalität von so manchen Wirtschaftsbossen schlägt sich nur allzu oft auf die Gehälter der Mitarbeiter*innen nieder. Wenn sich ebendiese Chefs dann wundern, dass sie kein Personal finden, beißt sich die Katze in den Schwanz.“ Abschließend forderten beide, Arbeit als wesentlichen Bestandteil der Existenzsicherung und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ernst zu nehmen. Dafür braucht es die unterschiedlichsten Angebote zur Integration in den regulären Arbeitsmarkt, aber auch die Etablierung eines dauerhaft erweiterten Arbeitsmarktes, der den jeweiligen Leistungsfähigkeiten der arbeitslosen Menschen entspricht.

Häupl: „Dass die Arbeitslosigkeit wieder sinkt, ist auch der Tatsache geschuldet, dass die Regierung dem AMS in der Krise deutlich mehr Mittel zur Verfügung gestellt hat. Dieses Bekenntnis wird es auch in den kommenden Monaten brauchen.“ Landau dazu: „Für Personen, für die eine Reintegration in den regulären Arbeitsmarkt keine realistische Option ist, brauchen wir einen erweiterten Arbeitsmarkt, der Menschen nicht abschreibt, sondern ihnen niederschwellig Struktur, Beschäftigung und Begleitung bei angemessener Entlohnung bietet.“ Sozialökonomische Betriebe wie die am Freitag eröffnete Wörkerei leisten hier einen wichtigen Beitrag. Häupl: „AMS und MA 40 sind hier und an vielen anderen Orten seit Jahren verlässliche Partner. Diese Kooperation macht deutlich: Es geht um eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung, die wir gemeinsam wahrnehmen können und auch sollen.“

Wörkerei: 50 Arbeitsplätze für junge Erwachsene

Das am Freitag eröffnete Beschäftigungsprojekt von Volkshilfe und Caritas ist ein Beispiel dafür, wie ein guter und nachhaltiger Einstieg ins Arbeitsleben gelingen kann. Häupl und Landau unisono: „Junge Erwachsene werden hier Schritt für Schritt ins Arbeitsleben begleitet. Nicht mit Ultimaten, sondern mit gezielter Förderung und Unterstützung.“ Mit 50 befristeten Arbeitsplätzen werden hier junge Erwachsene zwischen 18 und 24 Jahren Schritt für Schritt ins Arbeitsleben begleitet. In der Wörkerei werden 50 Jugendlichen, die sich schwertun, selbst einen Arbeitsplatz oder eine Lehrstelle zu finden, befristete Arbeitsplätze geboten. Gearbeitet wird im handwerklichen Bereich, wie Nähen von verschiedenen Produkten aus gespendeten Werbeplanen, als auch im Dienstleistungsbereich, wie Montage von Möbeln, in der Reinigung oder im Bereich Transporthilfe. Während der gesamten Zeit bei der Wörkerei unterstützen erfahrene Mitarbeiter*innen die Jugendlichen bei der Berufsorientierung und Jobsuche. Sozialarbeiter*innen unterstützen zusätzlich bei finanziellen oder sozialen Problemen.

„Unser Anliegen ist, mit der Wörkerei ein Beschäftigungsprojekt für junge Menschen zu unterstützen, das den Weg in ein selbstbestimmtes und erfolgreiches Leben begleitet. Nach dem Prinzip Fordern und Fördern wollen wir besonders junge Erwachsene bestmöglich dabei unterstützen, auf eigenen Beinen zu stehen und einen gelungenen Start ins Berufsleben zu erreichen“, erklärte Agnes Berlakovich, Leiterin der Abteilung für Soziales, Sozial- und Gesundheitsrecht (MA 40) der Stadt Wien.