Anna Parr, Generalsekretärin der Caritas Österreich, steht vor einer Fensterfront

Anna Parr, Generalsekretärin der Caritas Österreich

Caritas sieht in beschlossener Valorisierung der Sozialleistungen überfälligen Schritt im Kampf gegen Armut

Parr: "Drittes Antiteuerungspaket und Pensionserhöhungen bringen wichtige Verbesserungen. Soziale Krise ist aber nur mit strukturellen Maßnahmen gegen Armut abzuwenden."

Im September überschritt die Teuerung die 10%-Marke. Die höchste Teuerungsrate seit 70 Jahren trifft uns alle, für einkommensschwache Haushalte wird sie aber zur Frage der Existenz. Das gilt für immer weitere Kreise der Gesellschaft, schon jeder dritte Haushalt in Österreich kann seine durchschnittlichen Konsumausgaben nicht mehr decken. Anlässlich des Beschlusses des 3. Anti-Teuerungspaketes sowie die Pensionserhöhungen heute im Nationalrat streicht Anna Parr, Generalsekretärin der Caritas Österreich, zunächst die positiven Seiten dessen hervor: „Das beschlossene Paket und die Erhöhung der Ausgleichszulage sind wichtige Schritte und kommen keine Minute zu früh. Gerade die Valorisierung der Sozial- und Familienleistungen begrüßen wir, ist dies doch eine langjährige Forderung der Caritas. Als jährliche Anpassung an die Teuerung geht die Maßnahme über den Effekt von Einmalzahlungen hinaus und wird auch langfristig wirken.“ Die Bundesregierung dürfe sich aber keiner Illusion hingeben, so Parr weiter: „Die in den Gesetzespaketen verankerten Beschlüsse reichen bei weitem nicht aus, um die bevorstehende soziale Krise abzuwenden. Will die Regierung einen sozialen Rettungsschirm aufspannen, müssen die Sozialleistungen generell auf ein armutsfestes Niveau angehoben werden.“

Wesentliche Lücken, keine ausreichende Absicherung gegen Armut

Mit den heute beschlossenen Paketen werden auch nicht alle Sozialleistungen angehoben. Die Grundversorgung oder der Kindermehrbetrag, der gerade für Alleinerziehende wichtig ist, werden beispielsweise nicht valorisiert. „Wichtig wäre zudem, dass bei der Anpassung an die Teuerung auch der Wertverlust der vorangegangenen Jahre ausgeglichen wird. Im Falle der Familienbeihilfe beläuft sich der Wertverlust beispielsweise schon auf rund 25 Prozent“, so Parr. Mit der Erhöhung der Ausgleichszulage wird zwar nicht nur die Mindestpension erhöht, auch ein Plus bei Sozialhilfe und sogenannten „Aufstocker’innen“ also Menschen, deren Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe nicht an die Höhe der Ausgleichszulage reicht, geht damit einher. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir damit immer noch weit unter dem Niveau der Armutsgefährdungsschwelle liegen. „Aktuell liegt der Richtsatz für die Ausgleichszulage bei Alleinstehenden bei 1.030 Euro und wird im kommenden Jahr auf 1.110 Euro erhöht, mit weniger als 1.371 Euro gilt man in Österreich aber als armutsgefährdet. Es zeigt, das System in Österreich ist nicht armutsfest“, verdeutlicht Parr.  

Strukturelle Reformen stehen aus

„In Summe ist das alles zu sehr Stückwerk. In der akuten Krisensituation reicht das nicht aus. Für knapp mehr als ein Viertel der 16- bis 69-ährigen stellen unerwartete Ausgaben in der Höhe von 1.300 Euro ein Problem dar. Der Winter mit den hohen Energiekosten steht uns aber erst bevor“, warnt Parr. „Daher appelliere ich an die Bundesregierung, strukturelle Reformen jetzt in Angriff zu nehmen: Setzen sie besser heute als morgen die lange angekündigte Arbeitsmarktreform um. Drei von vier Langzeitarbeitslosen sind von Armut bedroht und es ist schlicht eine soziale Notwendigkeit, das Arbeitslosengeld und die Notstandshilfe rasch zu erhöhen“, so Parr und weiter: „Schaffen sie mit einer Gesamtreform der Sozialhilfe ein soziales Auffangnetz, das dieser Krise gerecht wird. Eine Valorisierung reicht bei einer Basis von 1.030 Euro schlicht nicht aus. Sie können mit einer nachhaltigen Reform Frauen, Männer, Familien und Kinder vor Armut schützen bzw. sie daraus entkommen lassen“, so Parr abschließend.