Caritas zur UN-Behindertenrechtskonvention: Menschenrechte von Menschen mit Behinderungen nach wie vor lückenhaft umgesetzt

Landau: „Menschenrechte von Menschen mit Behinderungen werden nicht klar eingehalten – speziell bei Bildung, Persönlicher Assistenz und Inklusion am Arbeitsmarkt. Das ist inakzeptabel!"

Der UN-Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen in Genf prüfte Ende August 2023 zum wiederholten Mal im Rahmen eines Staatenberichts, wo Österreich aktuell in der Umsetzung der Menschenrechte von ca. 1,4 Millionen Menschen mit Behinderungen im Land steht. Die Handlungsempfehlungen des Ausschusses machen deutlich: Die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Österreich weist Rückschritte, Versäumnisse und nach wie vor viele Lücken bezüglich der Menschenrechte für Menschen mit Behinderungen auf.

Michael Landau, Präsident der Caritas Österreich, findet klare Worte: „Menschen mit Behinderungen machen ungefähr 20 Prozent der Weltbevölkerung aus. Diese Menschen werden nach wie vor vielfach bevormundet, missbraucht, diskriminiert und rechtlich benachteiligt. Durch die Unterzeichnung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen im Jahr 2008 hat sich Österreich verpflichtet, sich für die Umsetzung dieser Menschenrechte einzusetzen. Wie kann es also sein, dass 15 Jahre später immer noch keine zufriedenstellenden Resultate erzielt worden sind? Dass es beispielsweise immer noch keine flächendeckende Ausrollung persönlicher Assistenz gibt?“

Inklusive Bildung im Regelschulsystem verankern

Inklusive Bildungsmöglichkeiten sind in Österreich Mangelware; hier sieht die Caritas besonders hohen Handlungsbedarf. „Nur maximal 2,7 Prozent des Bildungsbudgets sind für Schüler*innen mit Behinderungen vorgesehen. Demgegenüber stehen rund 5 Prozent an Kindern, die behinderungsbedingte Förderung brauchen“, erläutert Landau. In Kombination mit separater Beschulung in Sonderschulen behindern diese Umstände eine Inklusion und einen gemeinsamen Bildungsweg mit anderen Kindern und stehen damit der Zukunft einer inklusiven Gesellschaft, so wie sie in der UN Konvention gedacht ist, im Weg. Die Caritas setzt sich daher für ausreichend bedarfsgerechte und inklusive Regelschulplätze sowie deren gesetzliche Verankerung in ganz Österreich ein. Nur so werden inklusive Schulen in der Förderlogik der Länder und des Bundes Eingang finden – denn die Weiterführung eines Sonderschulsystems steht klar im Gegensatz zur UN-Behindertenrechtskonvention.

Chancengerechter Zugang zum Arbeitsmarkt

Der chancengerechte Zugang zum Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderungen ist nach wie vor nicht gegeben. Die mit Jänner 2024 startende Anhebung der Überprüfung der Arbeitsfähigkeit auf 25 Jahre ist ein wichtiger Schritt hin zum inklusiven Arbeitsmarkt. Michael Landau: „Derzeit sind Menschen mit Behinderung oft auf einen Platz in einer betreuten Tagestruktur wie einer Werkstatt angewiesen. Sie erhalten ein symbolisches Taschengeld statt eines Gehalts, sie sind nicht eigenständig sozialversichert und somit extrem armutsgefährdet. Es sind also noch viele Schritte zu inklusiver Bildung und Lohn statt Taschengeld notwendig. Menschen mit Behinderungen in einer Werkstätte müssen sozialversicherungsrechtlich abgesichert sein – mit Lohn, Arbeitslosengeld, Kranken- und Pensionsversicherung.“

De-Institutionalisierung vorantreiben

Der Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderung sprach weiters sein Unverständnis darüber aus, dass Österreich bis jetzt keinen umfassenden Plan zur De-Institutionalisierung erstellt hat und forderte Österreich auf, hier rasch tätig zu werden. Ein umfassender Abbau von großen Institutionen, zu dem die Konvention Österreich eindeutig verpflichtet, wurde bisher nicht umgesetzt. Landau analysiert hier: „Ohne eine abgestimmte Planung und konstruktive Umsetzung, bei der Bund, Länder und Gemeinden an einem Strang ziehen, werden wesentliche Reformen und notwendige strukturelle Veränderungen wohl auch bis zur nächsten Staatenprüfung ein Wunschdenken bleiben. Menschen mit Behinderungen müssen ihren Wohnort und ihre Wohnform frei wählen können. Zur Ausgestaltung dieser Reformen wollen und werden wir als Caritas unseren Beitrag leisten.“

Selbstbestimmtes Leben durch Persönliche Assistenz (PA)

Der Nationale Aktionsplan Behinderung 2022-30 (NAP) weist eklatante Mängel auf – einige Punkte stehen im Widerspruch zu den Zielen der UN-Behindertenkonvention. Michael Landau: „Um die Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen auszuweiten, brauchen wir einheitliche und unabhängig von Altersgrenzen geltende Regelungen für die Persönliche Assistenz, die Bundesländer und Assistenzbereiche umfassen. Diese Forderung hat Österreich nach wie vor nicht angemessen erfüllt.“ Ein neues Pilotprojekt zur Persönlichen Assistenz startete im Sommer in Vorarlberg, Tirol und Salzburg. Der Personenkreis, der Persönliche Assistenz nutzen darf, wurde hier nach Beeinträchtigungsform und Altersgruppe ausgeweitet. „Das ist ein positiver Meilenstein, dass beispielsweise Menschen mit Lernbehinderungen und psychischen Erkrankungen nun auch mit Persönlicher Assistenz besser am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können“, begrüßt Michael Landau diese Maßnahme. „Ein weiterer Punkt, den wir bedenken müssen: Eine künstliche Trennung von Persönlicher Assistenz im Freizeitbereich und am Arbeitsplatz stellt nach wie vor ein Hindernis in der praktischen Nutzung dar. Und ganz wichtig: Wir brauchen dringend einen Inklusionsfonds, um die geplanten Aktivitäten auch langfristig finanziell garantieren zu können.“