Caritas zu Novellierung GuKG: Richtung stimmt, weitere Schritte notwendig

Anna Parr: „Die Änderungen sind ein Schritt in Richtung eines modernen Berufsgesetzes. Der große Wurf für die Absicherung unseres Pflege- und Betreuungssystems bleibt aber aus.“

Anna Parr, Generalsekretärin der Caritas Österreich begrüßt die heute beschlossenen Änderungen des Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes: „Mit der Novellierung wurde ein guter Weg in Richtung eines modernen Berufsgesetzes für eine professionelle Berufsgruppe eingeschlagen. Gleichzeitig ist das nur ein Schritt. Der alleine wird unser Pflege- und Betreuungssystem in der Zukunft nicht absichern.“ Die demographischen Entwicklungen bedingen steigenden Pflege- und Betreuungsbedarf für die Zukunft. Gleichzeitig steigt der Bedarf an Pflege- und Betreuungskräften – auch aufgrund Pensionierungswellen - in den nächsten Jahren. Angesichts dessen braucht es jedenfalls weitere, noch weitreichendere Maßnahmen, so die Generalsekretärin: „An besseren Rahmenbedingungen für Pflege- und Betreuungsberufe führt kein Weg vorbei.“

Kompetenzen müssen erkannt und genutzt werden

Dankbar zeigt sich Parr für die ausgedrückte Anerkennung gegenüber Pflege- und Betreuungspersonal im Rahmen der aktuellen Gesetzesnovelle: „Mit den Änderungen kommen wir endlich einem Berufsgesetz nahe, welches den Fähigkeiten einer akademisierten Berufsgruppe entspricht. Besonders die in vielen Bereichen bisher fehlenden Befugnisse waren hinderlich im Berufsalltag und weder fachlich noch wirtschaftlich argumentierbar.“ So waren diplomierte Pflegepersonen bis vor kurzem etwa nicht befugt, einer Klientin mit bekannter Inkontinenz absorbierende Einlagen zu verordnen oder einem bettlägerigen Patienten eine Matratze mit Druckentlastung. Ebenso konnte im Bereich der Erst- und Weiterverordnung von Arzneimitteln bislang zum Beispiel eine Wundmanagerin nach fünf Jahren Studium nicht einmal eine einfache Wund- und Heilsalbe verordnen. Parr: „Mit der Novellierung beweist die Politik, dass sie pflegerische Expertise anerkennt. Nun müssen die verkündeten Maßnahmen jedoch auch rasch in die Praxis übersetzt werden, damit sie jene Entlastung und Entbürokratisierung im Berufsalltag herbeiführen, die es braucht.“

Zugleich seien einige Mängel auch mit dem neuen Gesundheits- und Krankenpflegegesetz für die Zukunft nicht akzeptabel, so die Generalsekretärin weiter. Geplant ist etwa, dass Ärzt*innen zwar nicht von ihrer Anordnungspflicht per se, aber von ihrer schriftlichen Anordnungspflicht gegenüber der Pflege entbunden werden. Im Falle eines Behandlungsfehlers bleibe dadurch völlig unklar, was wirklich angeordnet wurde, so die Generalsekretärin der Caritas Österreich: „Entbürokratisierung ist gut, aber hier benötigt es noch Feinschliff.“ Zudem bleiben einige Details noch offen, da einige durchaus begrüßenswerte Schritte laut dieser Novelle erst über weitere Verordnungen des zuständigen Ministers spezifiziert werden, bevor sie wirklich zu einer Verbesserung führen. Auch diese Verordnungen müssen nun noch zeitnah realisiert werden, damit die nun auf den Weg gebrachten Kompetenzerweiterungen ihre Wirkung in der Praxis wirklich entfalten können.

Diversität als Chance – Flexibilität fördern!

Nicht zuletzt weist Parr auf weiterhin bestehende Systemgrenzen, teilweise veraltete Richtlinien in den Bundesländern und starke Unterschiede hinsichtlich Verfügbarkeit und Qualität von Pflege und Betreuung hin. Zudem wird nahezu ein Drittel der derzeit aktiven Fachkräfte bis zum Jahr 2030 in Pension gehen, während die umgesetzten Ausbildungsoffensiven eine neue Generation adressieren, so Parr: „Unser Pflege- und Betreuungssystem muss für die unterschiedlichen Lebenswelten seiner Mitarbeiter*innen geeignete Modelle anbieten. Es gilt, die größer werdende Diversität nicht als Hindernis zu sehen, sondern als Chance. Aktuell finden wir im System diesbezüglich viel zu wenig Flexibilität.“ Flexibilität sei aber notwendig, damit Menschen gerne in ihren Berufen bleiben, sagt Parr und fordert: „Flexible Möglichkeiten der Einsatzplanungen, die zum Beispiel den Reisebedürfnissen der jüngeren Generation entgegenkommen, braucht es hier ebenso wie neue Berufsmodelle, die zu den Bedürfnissen der älteren Kolleg*innen passen. Aktuell sind die Dienststrukturen zu starr und Vorgaben zu Personalschlüssen vielerorts veraltet.“

Mut zum großen Wurf anstatt Stückwerk

Abschließend betont die Generalsekretärin, dass weitere Maßnahmen für Mitarbeiter*innen in der Pflege und Betreuung nicht länger warten können: „Hier geht es um Menschen, die sich in ihrem Berufsleben den Bedürfnissen anderer widmen und somit zu einem würdevollen Leben beitragen.“ Ziel müsse sein, dass diese Menschen mit guten Arbeitsbedingungen ausgestattet werden, am Ende ihres Arbeitstages zufrieden nach Hause gehen und am nächsten Tag wieder gerne in den Dienst kommen. Parr: „Die Politik muss erkennen, dass Rahmenbedingungen wie etwa die Vereinbarkeit von Pflegeberuf und Privatleben wirklich systemabsichernd sind und alle etwas angehen.“ Es brauche Mut für den großen Wurf anstatt des Stückwerks, so Parr: „Letztendlich geht es darum, den Fleckerlteppich an Zuständigkeiten und Zugänglichkeiten in Österreich strukturell zu beenden, ein zukunftsfittes Personal-Paket zu schnüren und die Pflege auf finanziell nachhaltige Beine zu stellen.“