Maria ist winzig. So winzig, dass sie beinahe in einer Hand Platz hat. Drei Monate zu früh geboren, gerade 900 Gramm schwer, das weiße Kleidchen viel zu groß - und dennoch: Maria wird es schaffen. Ebenso wie der kleine Manuel, den Polizisten im Wald gefunden haben. Wo die Not groß ist, lassen Verzweiflungstaten nicht auf sich warten.
Im Ernährungszentrum von Pissila, etwa 130 Kilometer nördlich von Burkinas Fasos Hauptstadt Ougadougou entfernt, sichern Tiroler Caritas-Spenden in der aktuellen Hungerkrise vielen Babys wie Maria und Manuel das Überleben. Rund hundert Frauen kommen einmal pro Woche hierher, um ihre Kleinen wiegen, messen und impfen zu lassen. Unterernährte Kinder erhalten nährstoffreiche Spezialmilch, ihre Verwandten bekommen etwas Getreide. Denn, wie Verena Egger, Auslandshilfe-Mitarbeiterin der Caritas Tirol, weiß: „Sind die Kinder unterernährt, sind es ihre Familien mit Sicherheit auch.“
Tödlicher Ursachenmix
Es ist ein tödlicher Mix aus Dürre, exorbitant gestiegenen Lebensmittelpreisen, bitterer Armut, politischen Konflikten und weiteren Faktoren wie dem Klimawandel, der in der westafrikanischen Sahelzone rund 18 Millionen Menschen in die aktuelle Hungerkrise geführt hat. „Die Lage ist wirklich dramatisch, die Familien haben keinerlei Reserven mehr. Viele sammeln schon seit Mai Blätter von den Bäumen, weil Getreide, Saatgut und alles, was sonst essbar wäre, längst verzehrt ist“, berichtet Abbé Isidore Ouedraogo, der Generalsekretär der Caritas Burkina Faso („OCADES“). Eine „Nahrung“, die das Wort genaugenommen nicht verdient: Die Blätter verursachen Durchfall und Magenkrämpfe. Den Hunger stillen sie nicht.
Wenn die Menschen zu sterben drohen, ist rasche Nothilfe die einzige Möglichkeit, Leben zu retten. Caritas-Mitarbeiterin Verena Egger half erst kürzlich selbst in Aribinda, im äußersten Norden des Landes, rund 380 Kilometer nördlich von Ougadougou gelegen, bei einer Getreideverteilung mit: „Alleine würden es viele nicht mehr bis zur nächsten Ernte im Oktober schaffen. Die Menschen sind am Ende, dementsprechend dankbar sind sie über jedes bisschen Hilfe.“ Wo Hunger herrscht, macht jeder Sack Getreide den Unterschied zwischen Hoffnung und Verzweiflung.
Dazu kommt, dass die Bauern gerade jetzt, wo sie so geschwächt sind, bei der Aussaat schwere Feldarbeit verrichten müssen. Die Frauen und Männer bearbeiten den Boden mit einfachen Hacken. „Schweißnaht“ nennen die Burkinabé deshalb die Sommermonate Juli und August, wo harte körperliche Arbeit notwendig ist und die Vorräte verbraucht sind.
Wege in eine Zukunft ohne Hunger
Während der aktuelle Regen in vielen Landesteilen auf eine gute Ernte hoffen lässt, arbeiten Hilfsorganisationen wie die Caritas schon lange daran, die Bevölkerung in der afrikanischen Sahelzone besser gegen die auftretenden Dürren zu wappnen. „Manchmal fragt mich jemand: Wenn es mit den Trockenperioden immer schlimmer wird, warum verlassen die Bauern und Viehhirten ihre Dörfer dann nicht? Nur – wo sollen sie denn hin? Hier ist ihre Heimat, ihre Familie, ihr Grund und Boden“, so Egger.
Die Caritas setzt auf nachhaltige Projekte wie etwa Speicherseen und Getreidebanken, die den Menschen eine Zukunft ohne Hunger sichern sollen. Projekte, die den Betroffenen eine gehörige Portion Mut, Umdenken und Einsatz abverlangen. So leben die in Burkina Faso ansässigen Peulh seit vielen Generationen von der extensiven Viehzucht: Auf der Suche nach Futter legen ihre Herden Tag für Tag bis zu zwanzig Kilometer zurück und knabbern das letzte bisschen Grün von den wenigen Sträuchern. Nach der Tradition der Peulh gilt als erfolgreich, wer viele Tiere hat – egal, in welchem Zustand sich diese befinden.
„Wiederholungstäter erwünscht“
Nach dem Motto „Zeigen ist besser als Reden“ hat die Caritas in Dori (Nordburkina) vor drei Jahren eine Schaufarm errichtet. Anfänglich waren die Peulh davon überzeugt, dass es nur „Verrückten“ einfallen kann, Rinder in einem umzäunten Gehege einzusperren und ihnen Kraftfutter zu geben. Der Erfolg zeigt das Gegenteil: „Das Argument, dass ein gut genährtes Tier auf dem Markt den doppelten Preis erzielt, hat alle überzeugt“, freut sich Projektkoordinator Hamidou Diallo. Jahr für Jahr bilden die Caritas-ExpertInnen nun zehn junge Peulh in der neuen Methode aus. Ausgestattet mit 600 Euro Startkapital kehren diese nach sechs Wochen Ausbildung in ihre Dörfer zurück. Auch die staatliche Agrarbezirksbehörde hat das Projekt schon besichtigt: „Wir freuen uns über jeden, der die Idee aufgreift“, betont Verena Egger.