Migration und Vertreibung durch Klimakrise nehmen zu

Klimaschutz ist die Prävention von humanitären Krisen. GLOBAL 2000 und Caritas fordern jetzt mehr Engagement der Politik.

Die Klimakonferenz in Bonn findet heuer unter dem Vorsitz der Fidschi-Inseln statt, die selbst stark vom Meeresspiegelanstieg, zunehmenden Tropenstürmen und Küstenerosion betroffen sind. In einem neuen Bericht zeigt die österreichische Umweltschutzorganisation GLOBAL 2000 jetzt auf, wie die Klimakrise immer mehr Menschen zu Vertriebenen macht. Gemeinsam mit der Caritas fordert die Umweltschutzorganisation mehr Engagement von der Politik: „Klimaschutz ist die Prävention von humanitären Krisen. Wir müssen deutlich mehr tun, um schlimme menschliche Tragödien zu verhindern und gleichzeitig braucht es viel mehr Unterstützung für jetzt schon betroffene Menschen. Diejenigen, die nichts zum Problem beigetragen haben, dürfen in der Klimafalle nicht allein gelassen werden“, appellieren Johannes Wahlmüller, Klimasprecher von GLOBAL 2000, und Georg Matuschkowitz, Leiter der Abteilung für Internationale Programme Caritas Österreich, unisono. 

Dürren, Wirbelstürme, Überschwemmungen: Klimawandel fördert Migrationsbewegungen

Bereits jetzt wird der Klimawandel weltweit als eine der wichtigsten Faktoren für Migrationsbewegungen angesehen. Die Gründe dafür sind zunehmende Extremereignisse wie Wirbelstürme und Überschwemmungen und schleichende Umweltzerstörung durch Dürren oder den Meeresspiegelanstieg. Am stärksten betroffen sind kleine Inselstaaten, flach liegende Küstengebiete, wo vielfach Millionenstädte liegen, oder Gebiete, die schon jetzt unter Trockenheit und Wasserknappheit leiden. Internationale Schätzungen gehen davon aus, dass bis zum Jahr 2050 200 Millionen Menschen durch klimatische Veränderungen zu Abwanderung gezwungen werden könnten. Bereits im Jahr 2016 gab es 24,2 Millionen Vertriebene durch Extremereignisse. Das sind mehr als dreimal so viele, wie die 6,9 Mio. Menschen, die durch Gewaltkonflikte vertrieben wurden. 

Das Risiko von Extremereignissen betroffen zu sein, ist heute bereits 60 Prozent höher als vor etwa 50 Jahren. Durch die Klimaveränderung steigt das Risiko von Extremereignissen weiter. Entgegen einer vielverbreiteten Annahme gibt es weltweit noch immer mehr Zuwanderung in Risikogebiete als Abwanderung, das wird in Zukunft das Problem noch verschärfen. Schon jetzt sind eine Milliarde Menschen in 100 Ländern von Wüstenbildung betroffen. Große Gebiete drohen durch extreme Hitze praktisch unbewohnbar zu werden. Davon wären bei ungebremstem Klimawandel eine Milliarde Menschen betroffen, bei einer Eindämmung des Temperaturanstiegs auf unter 2°C könnte diese Zahl immerhin auf etwa 130 Mio. reduziert werden.

Vor allem arme Menschen, Frauen und Kinder können sich selbst am wenigsten vor den Folgen schützen. „Wir steuern derzeit auf katastrophale Klimaveränderungen zu, die Milliarden von Menschen in ihren Existenzgrundlagen treffen. Wo Lebensgrundlagen zerstört werden, bleibt die Abwanderung oft die einzige Option. Es braucht jetzt deutlich mehr Initiativen, um eine katastrophale Klimakrise noch abzuwenden. In Österreich finden jetzt Regierungsverhandlungen statt. Das ist die Gelegenheit, bei der Energiewende hierzulande Nägel mit Köpfen zu machen. Bisher haben wir aber noch nicht einmal einen Plan, wie der Ausstieg aus fossiler Energie gelingen soll. Es besteht akuter Handlungsbedarf“, betont Johannes Wahlmüller, Klima- und Energiesprecher von GLOBAL 2000.

Dass die Klimakrise zu Migration und Vertreibung führt, ist weltweit mittlerweile klar ersichtlich. Im Bericht werden dazu mehrere Fallbeispiele angeführt. So wurde auf den Fidschi-Inseln, mit der Übersiedelung des Dorfes Vunidogoloa, die erste Absiedelungsaktion im Pazifik überhaupt durchgeführt, weitere 45 Dörfer müssen in den nächsten Jahren abgesiedelt werden. In Bangladesch wiederum sind massive Abwanderungsbewegungen aus ländlichen Gebieten vorwiegend in die Slums der großen Städte bereits Realität. Häufiger wiederkehrende Zyklone, Überschwemmungen, Küstenerosion und Salzeinträge in landwirtschaftliche Böden durch den Meeresspiegelanstieg sind hier die wichtigsten Faktoren. In Afrika zeigt sich, dass häufig durch Gewaltkonflikte bereits destabilisierte Länder völlig unvorbereitet auf die Situation zunehmender Dürren sind. 

Konflikte durch Auswirkungen des Klimawandels

Schon die derzeit stattfindende Klimaveränderung wird aber für viele Menschen zu großen Problemen führen. Das erlebt Georg Matuschkowitz, Leiter der Abteilung für Internationale Programme der Caritas Österreich, bereits hautnah mit. „Früher kamen Dürreperioden z.B. in der Sahelzone periodisch im Schnitt alle sieben Jahre vor.  Die Menschen hatten Zeit, sich auf Extremereignisse vorzubereiten.  Inzwischen werden manche Regionen alle zwei bis drei Jahren beispielsweise von verheerenden Dürren heimgesucht – zu kurze Perioden um sich zu erholen. In Ostafrika sind im Jahr 2016 und teilweise 2017 die lebenswichtigen Regenzeiten beinahe gänzlich ausgefallen“, sagt Matuschkowitz. „Häufiger auftretende Dürren und massive Ernteeinbrüche bedrohen traditionelle Lebensformen schon jetzt. Viele flüchten in Nachbarländer oder wählen lebensgefährliche internationale Fluchtrouten. Die Menschen werden zu Klimaflüchtlingen. Aber auch Konflikte stehen in unmittelbaren Zusammenhang mit dem Klimawandel: Wenn Weideflächen verloren gehen, Brunnen austrocknen, das Grundwasser versalzt oder Getreidesamen aufgrund der Dürren und der Nährstoff-reduktion im Boden nicht mehr keimen, dann beginnt oft der Kampf um neue, fruchtbare Regionen.“ Matuschkowitz weiter: „Auch in der Entwicklungszusammenarbeit gäbe es Mechanismen, um die Auswirkungen der Klimaerwärmung abzufedern.“ Strukturierter Zugang zu aktuellem Wissen oder Forschungsergebnissen über neue landwirtschaftliche Kulturpflanzen, Bodenverbesserungsmaßnahmen oder neue, kostengünstige Methoden der Wasserkonversation könnten Menschen von ihrer durch Klimaerwärmung bedingten Ernährungsunsicherheit befreien.

Verstärkte Anstrengungen beim Klimaschutz notwendig

„Gemessen an der Größe des Problems stehen die politischen Antworten noch ganz am Anfang oder laufen sogar in die entgegengesetzte Richtung. Es braucht eine Verstärkung der Klimaschutzbemühungen, um ein Mindestmaß an Sicherheit zu garantieren, mehr finanzielle und organisatorische Unterstützung von betroffenen Entwicklungsländern beim Umgang mit bereits unvermeidbaren Klimafolgen und es braucht neue Zugänge in der Migrationspolitik, die sicherstellen, dass Vertriebene durch den Klimawandel mit Respekt behandelt werden und in Würde an sichere Wohnorte gelangen können, anstatt ihr Leben riskieren zu müssen“, fordern Matuschkowitz und Wahlmüller abschließend. 

Den GLOBAL 2000-Bericht Klimakrise und Migration finden Sie unter www.global2000.at/presse