Geplante Asylverschärfung ist Tabubruch und Abkehr von der humanitären Tradition Österreichs

Landau: „Wie wollen wir Flüchtlingen unsere europäischen Werte vermitteln, wenn wir uns Stück für Stück von unseren Grundrechten verabschieden und bedrohten Menschen Schutz verwehren?“

 

Obergrenze wegen Notstand?

 

Österreich möchte in Zukunft Asylanträge nur noch in Ausnahmefällen annehmen und beruft sich dabei auf einen angeblichen Notstand, um sich nicht mehr an das geltende Asylrecht halten zu müssen. 

Caritas Präsident Michael Landau: „Diese geplanten Verschärfungen sind ein Tabubruch und die Abkehr von der humanitären Tradition Österreichs. Nach wie vor beherbergt ein Drittel der Gemeinden nicht einen einzigen Flüchtling. Ich halte die vorschnelle Argumentation mit Notstand-Szenarien und dem Schutz der inneren Sicherheit für brandgefährlich. Hier wird ein Untergangsszenarium beschworen und suggeriert, dass die Republik mit einem Prozent Asylanträgen bezogen auf die Bevölkerung im Vorjahr an einen Abgrund geraten sei. In Wahrheit funktioniert vieles etwa in der Unterbringung heute deutlich besser als noch vor einem halben Jahr, als es noch Zelte und Obdachlosigkeit in Traiskirchen gab. Das zeigt, dass Österreich die Herausforderungen meistern kann. Wir brauchen daher eine Rückkehr zur Sachlichkeit. Mit dem Aufbau von Drohszenarien kommen wir nicht weiter.“

 

Das von der Regierung in Auftrag gegebene Gutachten zu den Obergrenzen zeigt eindeutig, dass zahlenmäßige Obergrenzen gegen Völker-, Europa- und österreichisches Verfassungsrecht verstoßen. Spielraum sehen die Gutachter für die Zurückweisung in Nachbarstaaten wenn dadurch keine Menschenrechte verletzt werden. Das kann nur durch ein einseitiges Abgehen von EU-Bestimmungen zur Zuständigkeit für Asylverfahren passieren. „Hierfür die Gefährdung der öffentlichen Ordnung und/oder inneren Sicherheit heraufzubeschwören, ist weder zielführend noch verhältnismäßig“, so Landau. 

Dass die gegenwärtige Situation in Österreich weit von einem Notstand entfernt ist, der eine Abkehr vom bisherigen Asylsystem rechtfertigen würde,  bestätigen auch Völkerrechtsexperten der Uni Linz und Innsbruck. Im Asylrecht geht es um existentielle Fragestellungen in Zusammenhang mit Verfolgung und Bedrohung von Menschen. Darum geht es in einem Asylverfahren immer per definitionem auch um Menschenrechte. 

 

Auslagern der Verantwortung

 

Wenn Österreich ab Mai nur noch in Ausnahmefällen Asylanträge annehmen möchte, droht ein weiterer Dominoeffekt: Die Verantwortung wird auf die Länder an der EU-Außengrenze ausgelagert. So soll etwa das krisengebeutelte Griechenland einen großen Teil der Asylverfahren schultern, obwohl die vergangenen Jahre bewiesen haben, dass es dazu nicht im Stande ist und Rückschiebungen nach Griechenland seit Jahren menschenrechtlich untersagt sind. Leidtragende sind die vor Verfolgung und Konflikten schutzsuchenden Menschen.

Landau: „Die EU versucht, ihr kollektives Schutzversprechen und die solidarische Verantwortung, die sie Flüchtlingen gegenüber hat, vor ihrer Haustüre abzulegen, anstatt ein Gesamtkonzept und eine gemeinsame, langfristige Vorgehensweise zu entwickeln.“

 

Durch die EU-Türkei-Vereinbarung sollen Länder außerhalb der EU, die durchwegs ärmer und instabiler sind, den Schutz für geflüchtete Menschen übernehmen. Dabei werden schlimmste Menschenrechtsverletzungen in Kauf genommen: So wurden Berichten zufolge Kinder auf ihrer Flucht von Syrien in die Türkei von Grenzbeamten erschossen, schutzsuchende Syrer und Syrerinnen inhaftiert und in das Kriegsgebiet zurückgeschickt. 

Landau: „Die Europäische Union wurde als Friedensprojekt gegründet. Solidarität ist einer ihrer Grundwerte. Aktuell handeln viele Staaten nach dem Floriani-Prinzip. Was aber jetzt notwendig ist, sind entschiedene Bemühungen um Frieden und ein signifikanter Ausbau der Hilfe in den Erstzufluchtsländern, damit die Menschen auch nahe zu ihrer Heimat Schutz und Sicherheit finden. Ebenso wichtig sind legale Zugänge zum Schutz in Europa wie Resettlement und Humanitäre Aufnahmeprogramme, damit Schutzsuchende nicht auf Schlepper angewiesen sind.“

 

Ankommen in einer globalisierten Welt

 

Landau: „Die Globalisierung und ihre Folgen bedeuten auch, dass wir uns nicht länger vom Rest der Welt abschotten und die Augen vor der Not der Menschen verschließen können. Was wir aktuell in Österreich und Europa erleben, ist das Ankommen in einer Welt. Die haben wir früher gerne in eine erste, zweite und dritte kategorisiert und weit von uns weg geschoben. Letztlich wird es um eine profunde Auseinandersetzung mit den Tiefenstrukturen des weltweiten Migrationsgeschehens gehen müssen, um vor diesem Hintergrund die aktuelle Entwicklung besser zu verstehen. Und das heißt auch, wir werden um so etwas wie eine Kultur des Teilens nicht herumkommen - in Österreich und weltweit.

Wir dürfen jetzt auch die Armut in Österreich, die es nach wie vor gibt, nicht vergessen. Menschen, die sich ohnehin an den Rand der Gesellschaft gedrängt fühlen, empfinden die aktuelle Entwicklung als besonders beunruhigend. Diese Ängste mit einer permanent verschärften Tonart zu schüren, ist grob fahrlässig. Ein von Neid und Angst vergiftetes Klima in Österreich ist kein anzustrebendes politisches Ziel. Die Menschen brauchen Unterstützung und Hilfe, nicht das Gegeneinander-Ausspielen einer Not gegen die andere.“