Caritas zum Tag der Kinderrechte: Schulischer Erfolg ist auch eine Frage des Einkommens

Parr: „Recht auf Gleichheit und Recht auf Bildung ist bei armutsbetroffenen Kindern nicht erfüllt. Schulerfolg für Kinder darf nicht länger vom Geldbörsl der Eltern abhängen.“

„Kinder armutsbetroffener Eltern starten mit einem großen Nachteil ins Leben“, sagt Anna Parr, Generalsekretärin der Caritas Österreich anlässlich des Tages der Kinderrechte. So kommen sie verhältnismäßig oft mit einem niedrigeren Geburtsgewicht zur Welt, haben bei Schuleintritt eine geringere Körpergröße und weisen häufiger Entwicklungsverzögerungen auf. „Bildung und ein Bildungsabschluss können den Armutskreislauf durchbrechen. Leider wird Bildungsarmut in Österreich noch immer vererbt.“ Entscheidend über die Bildungslaufbahn eines Kindes sind nämlich der Bildungsabschluss der Eltern und ihr sozioökonomischer Status. Das zeigt sich allein darin, dass über 80% der 10- bis 14-Jährigen aus armutsgefährdeten Haushalten in die Hauptschule oder NMS gehen, nur 16% gehen in eine AHS.

Die Pandemie hat genau bei jenen Kindern die größten Bildungslücken hinterlassen, deren Eltern oder Elternteile finanziell und damit in vielen anderen Lebensbereichen benachteiligt sind. Aus den Caritas Lerncafés in ganz Österreich berichtet Parr: „Wir sehen, dass armutsbetroffene Kinder vom Schulsystem nicht ausreichend aufgefangen werden. Diese Kinder kommen beim digitalen Schulalltag, der spätestens mit Corona eingekehrt ist, nicht mit. Lerndefizite, die sie nach langen Phasen des Homeschoolings aufgebaut haben – Schwächen beim Lesen, Probleme beim Schreiben und die Schwierigkeit, Aufgaben zu verstehen – können auch jetzt nur schwer abgebaut werden. Ihren Eltern fehlen die Kenntnisse, um sie bedarfsgerecht zu unterstützen und Nachhilfe ist für viele einfach nicht leistbar.“ Das belegen auch die Ergebnisse einer jüngsten AK-Studie: Für vier von zehn Eltern stellen die Ausgaben für Nachhilfe eine sehr starke bis spürbare Belastung dar. Hier trifft es besonders Kinder von Alleinerziehenden, 32% hätten gerne Nachhilfe für ihre Kinder, können sich diese aber nicht leisten oder organisieren. Parr: „Diese Zahlen zeigen, dass man sich Schulerfolg in Österreich, wenn man Lernschwierigkeiten hat, erst einmal leisten können muss. Ohne außerschulische kostenlose Lernangebote wie etwa den Caritas Lerncafés blieben viele Kinder auf der Strecke.“

10 Jahre Caritas Lerncafés österreichweit: Armutsprävention durch Bildung
Denn genau da setzt die Caritas mit ihren 62 Lerncafés österreichweit an: Unabhängig vom Einkommen der Eltern, von Herkunft oder Geschlecht erhalten Kinder und Jugendliche im Alter von 6 bis 15 Jahre kostenlose Lern- und Nachmittagsbetreuung. Das Angebot richtet sich vor allem an Schüler*innen aus bildungsfernen und sozial benachteiligten Verhältnissen, um so die Bildungschancen bei Kindern und Jugendlichen zu erhöhen. Das erste Lerncafé wurde 2007 in Graz eröffnet, die österreichweite Ausrollung des Angebots erfolgte ab 2011. Parr: „Über 2.000 Kinder besuchen regelmäßig die Caritas Lerncafés und erhalten dort noch viel mehr als reine Nachhilfe. Die Lerncafés sind Orte der Begegnung, es entstehen Freundschaften und Zusammenhalt und wir sind in engem Kontakt auch mit den Eltern und Schulen. Es geht also auch darum, die Kinder insgesamt zu stärken und zu motivieren, was sich langfristig positiv auf das gesamte Leben der Kinder auswirkt. 96% der Kinder, die ein Lerncafé besuchen, schließen das Schuljahr positiv ab. Das ist echte wirksame Hilfe – über das Schuljahr hinaus. Es ist ein wichtiger Baustein, letztlich einen Schulabschluss zu machen und damit ein wichtiger Grundstein für ein Leben ohne Armut im Erwachsenenalter.“

Die hohe Nachfrage – 1.000 Kinder warten aktuell auf einen Platz in den Lerncafés - zeige aber vor allem auch eine Verfehlung der letzten Jahre auf, so Parr: „Auch wenn wir als Caritas selbst unsere Angebote immer weiter ausbauen: Es gibt insgesamt noch immer viel zu wenig Angebot an kostenloser, außerschulischer Betreuung. Das ist einer von vielen Bereichen, in denen es für Kinder und Jugendliche Lösungen, konkrete Maßnahmen braucht. Es muss gelingen, den Kreislauf zu durchbrechen: Armut der Eltern darf sich nicht länger auf die Bildungschancen auswirken. Wir müssen vom Problem- in den Lösungsmodus kommen: Armut zu verhindern, mit guter Bildung für alle.“ Neben dem Ausbau von kostenlosen außerschulischen Lernbetreuungsangeboten brauche es ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr, flächendeckend Kinderbetreuungseinrichtungen und einen Ausbau ganzheitlicher, ganztägiger Schulformen.

Caritas fordert Pakt für Kinder
Der Bildungsbereich ist eine von vier Säulen, in denen es Maßnahmen braucht, um Kinderarmut abzuschaffen sagt Parr und bezieht sich dabei auch auf die Kinderrechtskonvention: „Das Ausmaß an Kinderarmut und Bildungsungleichheit in Österreich zeigt, dass die Rechte von armutsbetroffenen Kindern auch hierzulande gefährdet sind.“ Neben Maßnahmen, die die soziale Ausgrenzung von armutsbetroffenen Kindern verhindern und ihre Gesundheit fördern, ist es vor allem auch wichtig, deren Familien materiell abzusichern – denn Kinderarmut entsteht immer aus Familienarmut. Die Caritas fordert bereits lange eine Überprüfung der Sozial- und Familienleistungen auf ihre Armutsfestigkeit und ihre verteilende Wirkung. Langfristig müssen auch Formen der Kindergrundsicherung geprüft werden. Parr: „Für jedes Kind in Österreich muss ein Leben mit gleichen Chancen sichergestellt sein – unabhängig vom Geldbörsl der Eltern. Wir warten hier schon lange auf eine politische Entscheidung – und hoffen, dass die lange angekündigte Kinderkostenstudie als Basis für diese politische Entscheidung nun bald vorliegt.“

Danke an Unterstützer*innen der Caritas Lerncafés
Die Caritas dankt dem Bundeskanzleramt sowie dem Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung für die bereits langjährige Unterstützung bei der Finanzierung der Lerncafés. Auch Unternehmen sind wichtige Unterstützer*innen der kostenlosen Lern- und Nachmittagsangebote für Kinder aus sozial benachteiligten Familien. So setzt sich zum Beispiel Mondi – neben zahlreichen anderen Unternehmen - als Lerncafé Partner der ersten Stunde bereits seit 2009 und damit seit 12 Jahren regional in der Nähe von Mondi-Werken für einen erfolgreichen Schulabschluss von benachteiligten Kindern ein. Und zudem werden Spenden eingesetzt, um die Angebote der Lerncafés zu erhalten und zu erweitern.