Caritas-Präsidentin Nora Tödtling-Musenbichler im Gespräch

Caritas-Präsidentin Nora Tödtling-Musenbichler © Caritas Steiermark

Caritas: Umstieg auf regulären Aufenthaltstitel für ukrainische Vertriebene bleibt für den Großteil der Vertriebenen ungeklärt

„Die Verhandlungen zur Überleitung der ukrainischen Vertriebenen in das Aufenthaltsgesetz & die Sozialhilfe müssen weitergehen– alle Vertriebenen haben ein Recht auf Perspektive“

Seit nunmehr über zwei Jahren herrscht Krieg in der Ukraine, rund 70.000 Personen haben Zuflucht in Österreich gefunden und brauchen hier eine langfristige Perspektive und Sicherheiten. Die im heutigen Ministerratsbeschluss präsentierte Umstiegsmöglichkeit auf einen regulären Aufenthaltstitel sei ein erster Schritt in die richtige Richtung, könne aber nur Teil einer umfassenderen Lösung sein, so Tödtling-Musenbichler. „Die heute präsentierte Umstiegsmöglichkeit betrifft nur eine sehr kleine Gruppe, die die Voraussetzungen für die Rot-Weiß-Rot-Karte Plus erfüllt. Wir brauchen aber eine sichere Perspektiven für alle Vertriebenen aus der Ukraine.“

Raus aus der Grundversorgung, rein in die Sozialhilfe
„Wir müssen Menschen mit Schutzstatus dringend die geeigneten Rahmenbedingungen für eine Integration bieten: Die Grundversorgung ist nicht auf einen Daueraufenthalt ausgelegt. Sie wirkt integrationshemmend und deckt Grundbedürfnisse finanziell nicht ab. Raus aus der Warteposition der Grundversorgung, rein in die Sozialhilfe muss das Motto also lauten“, erklärt Nora Tödtling-Musenbichler. Erst mit einem Aufenthaltstitel, der auch nach März 2025 einen Verbleib in Österreich ermögliche, können Arbeits- und Mietverträge geschlossen werden und es gebe einen verstärkten Anreiz, mehrjährige Ausbildungen und aufwändige Nostrifizierungsprozesse zu beginnen, so Tödtling-Musenbichler weiter. „Wir müssen allen aus der Ukraine vertriebenen Menschen eine langfristige Perspektive hier in Österreich bieten, damit sie in den Arbeitsmarkt einsteigen können und diesem mit ihren Qualifikationen zur Verfügung stehen. Österreich braucht qualifizierte Arbeitskräfte, und diese sind hier. Dazu gehört auch: eine geeignete Kinderbetreuung, leistbare Wohnungen und eine Absicherung von Personen, die aufgrund von Alter und Krankheit nicht arbeiten können.“

Langfristige Perspektiven durch Aufenthaltstitel
Laut aktuellen Zahlen waren Mitte Februar 2024 16.729 Ukrainer*innen vollversichert beschäftigt. Von diesen Personen können nur jene in die heute Lösung umsteigen, die bereits ausreichend verdient haben (in etwa 1.200 Euro netto nach Abzug von Miete und anderen Aufwendungen für einen Erwachsenen), konkret mindestens zwölf Monate in den letzten 24 Monaten gearbeitet haben und Deutschkenntnisse auf A1-Niveau nachweisen können. „Diese Bedingungen treffen nur auf wenige Menschen zu, wir brauchen aber eine Lösung für die gesamte Gruppe der ukrainischen Vertriebenen“, so Tödtling-Musenbichler. „Man muss sich fragen, warum diese Hürden so hoch liegen: Das verlangte Einkommen liegt deutlich über dem monatlichen Durchschnittseinkommen in Österreich von 2.568 Euro brutto beziehungsweise 1.902 Euro netto. Zieht man davon noch Miet- und Fixkosten ab, bleiben sicher weniger als die erforderlichen 1.200 Euro übrig.“ Die verlangten Deutschkenntnisse für den Umstieg hinterfragt die Caritas-Präsidentin ebenfalls: „In vielen Branchen, beispielsweise der IT, sind Englischkenntnisse ausschlaggebend – warum werden diese nicht angerechnet?“
Weiters verkenne die derzeitige Regelung, dass es sich bei ukrainischen Vertriebenen um Personen mit Schutzstatus handele: „Die Menschen aus der Ukraine sind aufgrund des Kriegs nach Österreich geflohen und haben hier Schutz gesucht. Man kann an sie nicht dieselben Anforderungen stellen wie an Personen, die zwecks Arbeitsleistung nach Österreich einreisen möchten und sich gezielt darauf vorbereiten konnten“, betont die Caritas-Präsidentin. „Wir wissen, dass die Mehrheit der ukrainischen Vertriebenen in Österreich bleiben möchten, und wir müssen daran denken, dass gerade die alten und kranken Menschen nicht in die Ukraine zurückkehren können. Um diese Gruppe von Menschen müssen wir uns besonders kümmern.“